Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
bringen.«
Die blauen Punkte schwebten um das lächelnde Gesicht des Königs. Nill schwieg. Erst Kaveh brach die Stille.
»Das klingt ja alles schön und nett«, sagte er, und Nill war überrascht von dem gereizten Ton in seiner Stimme. »Aber wenn du so redest, Vater, könnte man meinen, dass du lieber nichts gegen Korr unternehmen willst, sondern aufgeben möchtest – mal wieder.«
König Lorgios runzelte die Stirn. »Die Macht, die uns gegenübersteht – das ist die menschliche Habgier, und die wird am besten von der Zeit besiegt.
Nicht von Schwertklingen und vergossenem Blut.
Noch dazu«, fügte er kaum hörbar hinzu, »wenn es das Blut unbedachter Knaben ist, die Helden spielen wollen …«
»Wie kannst du so teilnahmslos bleiben?«, brauste Kaveh auf. »Du klingst, als wärst du die Welt selbst, die immer wieder den Morgen erlebt, und nicht ein sterblicher Mann, der nur begrenzte Zeit hat. Und diese Zeit sollten wir nicht mit Warten auf bessere Tage verschwenden!«
»Auch wenn wir nichts tun und schweigen, sind wir den Menschen überlegen«, fiel der König ihm laut ins Wort. Er hatte sich aufgerichtet und schien plötzlich größer als zuvor. Sein Schatten, den das Feuer malte, flackerte finster hinter ihm an der Wand. »In unserem Geist existiert eine Welt, die wir nicht mit Schwertern und Pfeilen verteidigen müssen, denn niemand kann sie uns nehmen. Es ist die Welt unserer Weisheit und der Tradition unseres Volkes. Die geistige Freiheit ist die einzige Freiheit, die es gibt! Sie ist deshalb unantastbar und wird ewig uns gehören, weil die Menschheit sie nicht begreift.
Sie mögen uns die Erde nehmen, auf der wir stehen.
Sie mögen unser Blut vergießen, ja. Aber das, was wir verschweigen, das, was hinter den Pforten unserer Augen liegt, das werden sie niemals besitzen können!«
Kaveh verzog das Gesicht. »Aber was nützt denn ein unausgesprochener Gedanke, Vater?! Was ist ei-ne Sonne wert, die nie jemandes Gesicht wärmen
konnte? Was ist ein Wort, das nie gehört wird? Was ist schon eine Welt, wenn nur einer sie sehen kann und niemand sonst? Verflucht noch mal, Vater, der, der spricht, der wird die Welt sein eigen nennen, und nicht der, der denkt – ist das nicht ein altes Sprichwort? Wer handelt, wird siegen, und wer zusieht, verliert!«
»Schweig, Kaveh! Du klingst wie einer von ihnen
– wie die Menschen !«Ein unheilvolles Blitzen lag jetzt im Blick des Königs, bei dem sich Nills Nackenhaare sträubten.
Doch so schnell gab Kaveh nicht auf. »Und sie haben Recht! Vielleicht sind sie dumm und selbstsüchtig und alles, was du sagst, Vater, aber sie haben Recht. Sie haben das Recht auf die ganze Welt, wenn sie sagen Die Welt gehört uns! und niemand wider-spricht!«
»Was sagst du da, Kaveh? Auf wessen Seite stehst du?«
»Auf der meines Volkes! Auf der meines Königs.
Und ich bin bereit, für das Elfenvolk alles aufzugeben, das weißt du. Ich bin bereit, eine Gedan-kenwelt aufzugeben, nicht mehr nur zu denken, sondern zu handeln und so laut und dumm wie die Menschen zu werden, wenn mein Volk dadurch nur weiter bestehen kann!«
Eine Weile musterte der König seinen Sohn. Wieder schien eine Müdigkeit sein Gesicht zu überschat-ten und jeden Zorn zu dämpfen. »Kaveh, du bist sehr jung. Du sagst, du willst um jeden Preis das Leben,
selbst wenn es ein Leben wie das der Menschen ist.
Doch sage mir: Was ist schon eine Existenz wert oh-ne Geist?«
»Dann denkst du auch, ein Blinder sollte Selbst-mord begehen, nur weil er ohne Tageslicht leben muss?«, erwiderte Kaveh.
»Ein Mensch mag geistlos und blind leben können, wir Elfen sind zu stolz für so ein Schicksal.«
Lorgios machte eine entschiedene Handbewegung, die jedes weitere Wort Kavehs abschneiden wollte.
Aber auch jetzt ließ sich der Prinz der Freien Elfen nicht beeindrucken. »Dann verehren wir Elfen das Leben nicht genug! Wenn wir zu stolz sind für die Welt, dann – dann … Nein! Das glaube und dulde ich nicht. Ich bin ein Elf, in mir fließt dein Blut, Vater! Und ich will leben, ich will nicht stolz und tot sein! Und damit meine Kinder das auch einmal sagen können – genau diese Worte – dafür bin ich bereit zu sterben.«
»Du hast noch gar keine Kinder, Kaveh! Du ahnst nicht mal, was es bedeutet, Kinder zu haben. Und wenn du es ahntest, würdest du nie Kinder wollen!«
»Ich bin bereit, im Kampf für alle Kinder zu sterben, die nach uns kommen«, sagte Kaveh und presste seine Lippen aufeinander.
»So, so, darauf
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