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Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Titel: Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: das Erbe der Elfenkrone Nijura
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Nill auf. Vor ihr standen zwei Füße in spitzen Schuhen. Und direkt davor lag – der steinerne Dorn.
    Erschrocken tasteten Nills Finger nach der leeren Rocktasche – der Dorn musste ihr herausgefallen sein! Aber nun war es zu spät. Eine alte, knochige Hand ergriff ihn vor ihren Augen.
    »So, so, was ist denn das?« Es war eine alte, kräch-zende Rabenstimme, die Nill bekannt vorkam. Sie richtete sich auf und schnappte nach Luft. »Seherin!«
    Die Alte warf ihr einen wachen Blick zu. Dann drehte sie den Steindorn in der Hand und betrachtete ihn eingehend. Die Seherin des Dorfes war nicht nur
Nill und den Kindern unheimlich; sogar der Dorfoberste, so hieß es, fürchtete und ehrte die alte Frau.
    Außer einem weißen Haarknoten auf der Mitte ihres Kopfes war sie kahl und trug Zeichen aus blauer Farbe auf der runzligen Haut. In ihren Ohrläppchen steckten flache Ringe aus Perlmutt und um den Hals hing ihr ein Sammelsurium von Steinketten.
    »Sag mir, wo hast du das hier her?« Sie hielt den Steindorn höher.
    Nill bekam zunächst keinen Ton über die Lippen.
    »Ich weiß nicht, was es ist – ich, ich habe es nur gefunden und mir nichts dabei gedacht.«
    Eine Weile musterte die Seherin sie eindringlich.
    Dann wog sie den Steindorn in der Hand und schloss schließlich die Finger darum.
    »Ich nehme das Messer mit«, erklärte die Seherin und ließ den Steindorn in die eigene Rocktasche sinken. »Und du, mach dich auf den Weg nach Hause.«
    »Ja, aber –«
    Die Seherin hob gebieterisch die Hand. »Kümmere dich nicht um dein Gemüse. Sag Agwin, ich habe dich heimgeschickt. Die Kohlköpfe zahle ich ihr.«
    Einen Augenblick später hatte die Alte kehrt gemacht und war im regen Treiben des Marktes verschwunden.

Versammlung der Hykaden
    Ein Zusammentreffen der Stammesführer hatte seit den Festlichkeiten der letzten Sommersonnenwende
nicht mehr stattgefunden. Normalerweise versammelten sich alle zwölf Hykadendörfer der westlichen Tiefwälder nur bei einer traditionellen Zeremonie oder Kriegsbesprechung. Umso erstaunter folgten die Dorfobersten der plötzlichen Einladung.
    Diesmal gab es kein Fest und auch keine religiöse Zusammenkunft. Nun, da die Stammesführer sich alle im Haus des Gastgebers zusammengefunden hatten, lag gespannte Neugier in der Luft. Der große Raum war erfüllt vom Gemurmel der Anwesenden.
    Die Fensterläden aus geflochtenen Binsen waren geschlossen, dafür spendete ein Herdfeuer in der Mitte des hohen Zimmers Licht. Ein runder Holztisch schloss sich um die Flammen, an dem sich ringsum die Fürsten der zwölf Stämme niedergelassen hatten.
    Der Dorfoberste von Yugg war in Begleitung seiner beiden Töchter erschienen, die links und rechts neben ihm saßen wie wachsame Amazonen. Auch der Fürst von Hegva, dem am nördlichsten gelegenen Dorf, hatte seinen Sohn mitgenommen, auf dessen kräftigem Arm die Hand des Vaters ruhte wie auf einem guten Gehstock.
    Andere Stammesführer, die noch nicht der Stütze ihrer Kinder bedurften, hatten ihre Druiden und Heiler mitgenommen. Eine wichtige Entscheidung konnte schließlich nicht ohne den Rat der Weisen getroffen werden, durch die der Wille der Götter sprach.
    In der Runde saß auch der Gastgeber, ein hünenhafter Mann mittleren Alters, der der Fürst des Dorfes Lhorga war. Wie eine Statue thronte er auf sei-
nem fellbezogenen Stuhl, die Unterarme auf den Tisch vor sich gelegt und das bärtige Gesicht düster.
    Neben ihm saß sein erster Sohn. Er war mit seinen knappen zwölf Jahren noch jung – aber auf den Rat der Seherin hin ließ der Fürst von Lhorga ihn dennoch an der Sitzung teilnehmen. »Nur das Vogeljunge, das früh über den Rand des Nests hinwegsieht«, hatte die Alte gesagt, »wird eines Tages hoch fliegen.«
    Doch dieses Vogeljunge schien am Fliegen noch nicht so interessiert zu sein, wie sein Vater es gerne gesehen hätte: Unruhig rutschte der Junge auf seinem Stuhl herum und behielt das Spitzmausgesicht zu einer ärgerlichen Grimasse verzogen. Der Fürst hatte ihm nämlich verboten, den roten Speer mit in die Versammlung zu nehmen, den zu tragen allein den Fürsten und Prinzen gebührte. »Mit einem roten Speer darfst du dich zeigen, sobald du deinen ersten Hirsch damit erlegt hast!«, waren die Worte des Dorfobersten gewesen. »Diese Ehre steht dir nicht einfach zu, nur weil du ein Prinz von Lhorga bist.«
    Bald öffnete sich ein Türvorhang, der das nebenan liegende Zimmer vom Versammlungsraum trennte, und die Seherin von Lhorga

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