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Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone

Titel: Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: das Erbe der Elfenkrone Nijura
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können?
    Arane …
    Er würde sie rächen, ja, er würde sie rächen und zu
ihr zurückkehren. Er würde im Tod mit Arane vereint sein. Er war auf dem Weg zu ihr.
    Und seit drei Jahren endlich spürte Scapa wieder, dass er lebte.

DRITTES BUCH
    Das Weiße Kind

Der verlorene Sohn
    In den Tiefen der Dunklen Wälder reckten sich die Birken und Buchen so weit in den Himmel, dass die Baumkronen bis in die Wolken zu reichen schienen.
    Man erzählte sich die Geschichte von einem Jungen namens Ijumalah, der einst den höchsten Baum der Dunklen Wälder fand. Es war eine verwitterte Eiche, deren Stamm die Jahre in eine wundersame Form gebogen hatten: Man konnte auf seinen Windungen hinauflaufen wie auf einer Treppe.
    Ijumalah, der gerade seinen geliebten Bruder an das Totenreich verloren hatte, wollte die Eiche erklimmen. Von oben aus hoffte der Junge die ganze Welt sehen zu können, bis hin zum fernen Großen Wasser, dem Meer, und sogar bis hinab in das Totenreich tief unter den Schatten der Wälder. Ijumalah stieg sieben Tage und Nächte den Baum empor, bis er seine Krone erreichte. Hier bedeckte Schnee die Laubhauben. Der Junge reckte den Kopf und tatsächlich: Er erspähte die ganze Welt, sah die unendlichen Sandwüsten im Westen und die schäumenden Meere im Osten. Er entdeckte die Marschen jenseits der Dunklen Wälder, er konnte über die Berge hinwegse-hen bis ans Ende aller Länder. Er sah alle Seelen der Welt, jeden Strauch und Baum und jedes Tier. Aber das Reich der Toten blieb seinen Augen verborgen.
    In seinem Kummer erschienen ihm die Geister der Bäume, die zwischen den Ästen der Eiche hausten.
Sie fragten den Jungen, was er suche, das von hier oben nicht zu sehen sei. Und Ijumalah antwortete ihnen, dass er Ausschau nach seinem geliebten Bruder halte. Die Baumgeister raunten eine Weile im Wind, ehe sie ihm antworteten, dass er Recht habe; seinen toten Bruder könne man in keinem Winkel der Welt finden. Um ihn zu finden, müsse Ijumalah in sein Herz blicken, und wenn er Glück habe, sei dies genauso weit und groß wie die Welt vom höchsten Baum aus.
    Aber der Junge wollte sich damit nicht zufrieden geben. Obwohl sein Herz so groß war wie die Welt unter ihm, war es erfüllt von Trauer, und er hatte seinen Bruder und sich selbst – ja, alle, die er liebte –
    längst darin verloren. Ijumalah wollte seinen Bruder leibhaftig vor sich sehen, und wenn er das Reich der Toten selbst betreten müsste. Nun, erwiderten die Baumgeister, dann gäbe es nur einen Weg für ihn.
    Das Totenreich, flüsterten sie, befand sich nicht in der Ferne, sondern direkt unter ihm. Er müsse nur hinein springen. Und der Junge Ijumalah sprang …
    Er sprang direkt in das Reich der Toten hinab, wo er seinen toten Bruder endlich wieder fand.
    Diese Geschichte hatte Aryjen unendlich oft er-zählen müssen, seit ihr zweitgeborener Sohn das Märchen zum ersten Mal gehört hatte. Als Kind hatte Kaveh Geschichten verschlungen und mit leuchtenden Augen zugehört, bis die Stimme des Erzählers ihn so hoch in die Wolkenreiche getragen hatte wie die alte Eiche Ijumalah. Kein anderes Kind, auch
nicht Aryjens erster Sohn Kejael, war so versessen auf Heldenlegenden und Märchen gewesen. Wäre es doch nur dabei geblieben, dachte Aryjen nun und spürte einen Stich in der Brust. Sie musste an den Tag zurückdenken, an dem Kaveh wohl beschlossen hatte, seine eigenen Abenteuer zu erleben: Auch er hatte sich auf die Suche nach dem höchsten Baum der Dunklen Wälder begeben. Diese Suche bescherte ihm einen zwei Meter tiefen Sturz, einen verstauchten Arm und seiner Mutter fast ein Herzversagen.
    »Bei allen guten Geistern«, hatte Aryjen ihn ausge-schimpft, »welchen Verstorbenen hast du im Todes-reich besuchen wollen?«
    »Niemanden«, gab Kaveh zögernd zurück. »Ich wollte nur die ganze Welt sehen.«
    Damals war er sieben Jahre alt gewesen. Und heute, wo er seine eigene Tollkühnheit fast schon bis zum Mannesalter überlebt hatte, war er zum zweiten Mal aufgebrochen, um die Welt zu erkunden. Und mit einem verstauchten Arm kam er diesmal bestimmt nicht davon.
    Bei diesen Gedanken tastete die Königin der Freien Elfen nach der Hand ihres Gemahls. »Wann kommt sie wohl?«, murmelte Aryjen und spähte in den Wald hinein, um ihre Sorgen abzuschütteln.
    König Lorgios atmete langsam ein und drückte ih-re Hand, so wie er es immer tat, wenn er ihr ein Ge-fühl von Ruhe vermitteln wollte – dabei konnte auch er, das wusste sie, nachts vor Kummer nicht

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