Nuyen, Jenny-May - Nijura, das Erbe der Elfenkrone
Erleichterung und
Furcht durchrieselten sie zugleich. Solange ich ihn nur bei mir habe, dachte sie, ist alles gut. Und solange ich ihn bei mir habe, bin ich in Gefahr …
Dann sank sie in einen leichten Schlaf.
Es mochten Stunden oder auch nur Minuten vergangen sein, als Nill erwachte. Sie fuhr aus den Kissen, als hät-te jemand Wasser über sie gegossen, und unterdrückte erst im letzten Augenblick einen Schreckensschrei.
Träumte sie noch?
Nein. An ihrem Bett, halb verborgen hinter den Vorhängen, war ein Gesicht. Das Gesicht des Herrn der Füchse. Nills Herz setzte einen Augenblick aus.
Binnen eines Wimpernschlags saß sie aufrecht zwischen den Decken. »Was willst du hier?«
Ruhig strich der Junge die Vorhänge zur Seite. Das spärliche Licht der Fackel tauchte die Hälfte seines Gesichts in Rot. »Du bist schön, wenn du schläfst.«
In Nills Kopf kreisten die Gedanken wie in einem Wirbelsturm. Sie hätte kaum für möglich gehalten, wie schnell ihr das Blut in die Ohren steigen konnte.
» Was?« Sie schüttelte verwirrt den Kopf. »Was –
du – was machst du hier?«
Er legte den Kopf schief und lächelte. »Was denkst du?«
»Ich denke, du hast mich zu Tode erschreckt!«
Augenblicklich fiel das Lächeln von seinen Lippen. »Soll ich wieder gehen?« Er klang, als hätte sie ihm befohlen, aus dem Fenster zu springen.
»Nun – ja!«
Er runzelte die Stirn. Dann war er schneller auf den Füßen, als Nill gedacht hätte.
»Na schön.« Er zuckte mit den Schultern und ging schnurstracks zur Tür. Fassungslos starrte Nill ihm nach, bis er aus dem Zimmer getreten war und die Tür knarrend ins Schloss fiel.
Das Geräusch ließ Kaveh aus den Kissen fahren.
»Was ist passiert?«, rief er schlaftrunken.
Nill starrte mit pochendem Herzen die Tür an.
»Nichts«, murmelte sie. »Nur ein Windstoß.«
Die Wahrheit
Fesco wollte es kaum glauben. Seit drei Jahren war er Scapas engster Vertrauter – er war nicht nur der beste Dieb, im Stillen wagte er sich gar seinen Freund zu nennen – und nun war Scapa fort.
Der Herr der Füchse hatte den Fuchsbau verlassen.
Ein unbestimmtes Gefühl hatte Fesco gleich beim Erwachen verraten, dass etwas nicht stimmte. Es war, als hätte über Nacht der Herzschlag des Fuchsbaus innegehalten.
Fesco zog sich an und lief durch die Irrgänge der Ruine. Er erklomm schiefe Treppen und schlüpfte an zerbröckelten Mauern vorbei. Schließlich erreichte er die große Halle. Aber hier war Scapa nicht. Die Halle schien den Atem anzuhalten, bis ihr Herr sie wieder betreten würde. Dass Scapa nicht da war, musste nichts heißen. Fesco wusste, wo er sich morgens oft aufhielt, und machte sich auf den Weg.
Normalerweise wäre er den Turm nicht hinaufge-stiegen, denn er wusste, dass Scapa dort oben alleine sein wollte. Früh morgens, manchmal noch während es dämmerte, trat der Herr der Füchse auf die Sonnenterrasse und beobachtete die Stadt. Es war, als hielte er nach etwas Ausschau – vielleicht nach der Zukunft, vielleicht auch nach etwas längst Vergan-genem. Dabei wollte er nicht gestört werden.
Aber heute musste es sein. Fesco hatte ein äußerst ungutes Gefühl, das irgendwie mit den fremden Gästen zu tun hatte.
Hätte er das Mädchen doch nicht hergebracht!
Nun spürte er, dass Unglück im Fuchsbau lauerte; es hing in der Luft und flüsterte durch die Ritzen der alten Steine.
Schließlich erreichte Fesco die Sonnenterrasse.
Vor ihm erstreckte sich ganz Kesselstadt. Die sand-farbenen Häuser waren vom Regen dunkel gefärbt, weiß und kahl wölbte sich der Himmel über ihnen.
Von Scapa war keine Spur.
Fesco machte kehrt. Er lief die Spiraltreppe wieder zurück, jetzt mit heftig klopfendem Herzen. Etwas stimmte nicht. Er spürte es ganz genau.
Fesco erreichte atemlos das Schlafzimmer des Fuchsherrn. Er klopfte an, nein, er hämmerte mit der Faust gegen das Holz.
»Scapa?«, rief er. »Scapa! Verdammt, seit wann schläfst du wie ein Stein?«
Wieso antwortete er nicht? Normalerweise hätte Scapa längst zurückgerufen, er solle seinen Rausch
ausschlafen und ihm nicht vor der Tür rumjammern.
Aber es blieb still in dem Zimmer hinter der Tür.
Fesco trat einen Augenblick zögernd zurück, dann griff er nach der Türklinke und drückte sie hinunter.
Er trat in einen dunklen Raum. Die Fenstervorhänge waren zugezogen und erlaubten nur einem blassen dunkelroten Schein einzudringen. Das Bett war leer.
Auf dem Boden lagen durcheinander geworfene Sachen. Truhen waren
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