Nybbas Nächte
ausgehungert.
„Und du nennst mich einen Sadisten“, stieß er zwischen zwei Küssen atemlos hervor. „Gegen deine Grausamkeit bin ich ein Waisenkna…“ Das Wort verlor sich in einem Stöhnen, als sie die Nägel in seine Schultern grub. „Ah, verdammt, Jo. Mach damit weiter und ich beweise dir, dass du gut daran tust, Angst vor mir zu haben.“
„Tu das.“ Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken, genoss das Kratzen seiner Zähne an ihrem Hals und den Druck seiner Hände, die überall zu sein schienen. „Gib mir endlich einen Grund.“
Er ging rückwärts aufs Bett zu, zog sie mit und ließ sich nach hinten fallen. Als er auf der Matratze landete, gab er einen kleinen Schmerzlaut von sich, der in einem derben Fluch mündete. Er zerrte das Paket, auf dem er unsanft aufgekommen war, unter seinem Rücken hervor und betrachtete es für einen Moment, als wollte er die nächstliegende Wand damit einwerfen.
Joana musste kichern. „Darf ich es auspacken?“ Zunächst war es nur ein Scherz. Ihr Körper verlangte feucht und heiß nach ganz anderen Geschenken zum Auspacken, ihre Finger zitterten beim Öffnen seiner Hemdknöpfe, aber sein göttlicher Blick war die kleine Verzögerung wert. Nicholas verharrte ungläubig in der Bewegung, das Päckchen mit einer Hand in die Luft gehalten.
„Jetzt? Kleines, meine Shorts fangen gleich Feuer, ich möchte hören, wie du schreist – und du willst erst …?“
Sie senkte den Kopf, zog einen Schmollmund und schlug die Lider hoch. „Bitte.“
Sekundenlang starrte er sie an, dann schnaubte er resigniert und legte es ihr in die Hände. „Ich bin hart im Nehmen, also pack es aus, Foltermeisterin. Pack es schnell aus.“
Joana rutschte von seinem Schoß, knipste die Nachttischleuchte an und kniete sich neben ihm aufs Bett. Eine Locke fiel ihr vors Gesicht, sie beachtete sie nicht. Behutsam öffnete sie die Klebestreifen und löste das Packpapier. Nicholas musste trotz der drängenden Erregung grinsen, als ihr der Mund aufklappte und ihre Augen tellergroß wurden. Es lag ein gewisser Eigennutz dahinter, ihr dieses Buch zu schenken. Er hörte ihr gern zu, wenn sie las. Immer schon hatte er es genossen, Menschen zu beobachten, wenn sie Bilder malten oder Fotografien anfertigten. Er genoss es, ihnen zu lauschen, wenn sie Musik machten oder sangen. Manchmal fragte er sich, warum er all das nicht selbst versuchte. Doch das hätte die Magie dieser Künste zerstört. Denn in dem Moment, wenn Menschen etwas taten, das sie liebten, webten sie ihre Gefühle hinein und erschufen einen Moment emotionaler Perfektion. Unerreichbar für seinesgleichen und dadurch kostbar. Wenn Joana vorlas, war das wie Musik. Ihre Bücher, selbst die trivialsten, glichen edlen Instrumenten.
Joana sah verstört zu ihm auf und riss ihn aus seinen Gedanken. „D-das ist … m-mein B-black Beauty Buch“, stammelte sie, nachdem sie ehrfürchtig den Einband aufgeschlagen hatte.
Dann, und das war nicht Teil seines Planes, brach sie in Tränen aus. Dass ihr vor Rührung die Augen feucht werden würden, hatte er vermutet. Doch mit der Heftigkeit, mit der sie sich an seine Brust warf, hatte er nicht rechnen können.
„Jo, alles in Ordnung?“
„Ja“, heulte sie und schüttelte den Kopf an seiner nassen Haut.
„Hab ich etwas falsch gemacht?“
„Nein.“ Jetzt nickte sie.
Nicholas spürte Trauer, Wut, aber zugleich auch ein köstlich süßes Gefühl, das wie Freude roch. Verwirrt streichelte er ihren Rücken, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass es ihr gelang, die Nase hochzuziehen, sich zu räuspern und aufzurichten.
„Entschuldigung“, fiepte sie, tastete in der Nachttischschublade nach einem Päckchen Taschentücher und schnäuzte sich. Dann fuhr sie mit der Spitze ihres Zeigefingers sanft die Schrift auf dem Leineneinband nach. „Verzeihung.“ Ein weiteres Räuspern. „Du hast ja keine Ahnung, was dieses Buch mir bedeutet. Es ist wirklich meines, oder? Du hast es mitgenommen und restaurieren lassen.“
„Ein paar Seiten musste der Buchbinder neu setzen. Das meiste ließ sich retten und ist aus den Überresten deines Buches neu gebunden.“ Nicholas blätterte zu einer der Stellen, an denen die Seiten eine Nuance heller war. „Es wurde zwar ein spezielles Papier verwendet, aber man sieht leider einen kleinen Unterschied.“
Joana starrte erst das Buch an, dann ihn und wieder das Buch. „Danke“, flüsterte sie. „Wenn du wüsstest, wie sehr ich an diesem alten Buch
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