Nybbas Nächte
Ponys reißen?“ Joana hielt das für ausgeschlossen.
„Keine Füchse, Jo. Dämonen.“ Nicholas schien an der Geschichte interessiert. Seine über den Tisch gebeugte Haltung und die verschränkten Finger zeugten von Neugierde.
„Es sind bereits Menschen verschwunden“, fuhr Rut fort. Sie räusperte sich akzentuiert. „Ich bin niemand, der Vorurteile hegt. Aber ich sorge mich um mein Heimatland. Wenn ihr möchtet, dass ich dich ausbilde, Joana, dann verlange ich im Gegenzug, dass ihr für mich herausfindet, was dort vor sich geht.“
„Wir sollen auf Fuchsjagd gehen?“ Nicholas neigte den Kopf.
„Nein, nein. Findet heraus, was der Dämon plant. Ich würde es selbst tun, aber ich bin alt, und mit meiner Gesundheit steht es nicht zum Besten.“
Joana tauschte einen Blick mit Nicholas, dieser zuckte mit den Schultern. „In Ordnung. Sofern du Joana im Austausch ein paar Zauber lehrst, sehen wir uns den Fuchsbau mal näher an.“
Rut zeigte ein erleichtertes Lächeln, schlug dann die Hände zusammen und bemerkte mit einem resoluten „Himmeldonnerwetter“, dass sie ihren Gästen noch keinen Kaffee angeboten hatte.
Joana hörte, wie die Haustür aufgeschlossen wurde, zeitgleich erhob sich Rut, wobei sie sich auf die Lehne ihres Stuhls stützte. Dieser kippte unter ihrem Gewicht nach hinten. Joana schoss vor und packte die alte Frau unter den Armen, ehe sie zu Boden stürzte. Rut keuchte unter ihrem Griff auf. In ihrer Kleidung war sie schon dünn anzusehen; aber wie knochig und leicht sich ihr Körper anfühlte, war besorgniserregend.
Ein schriller Schrei, den Joana nicht zuordnen konnte, ließ sie zusammenfahren. Nicholas stieß sie samt Rut unwirsch zur Seite, sodass sie beide auf die Dielen krachten. Das Nächste, was sie wahrnahm, war ein Butterfly-Messer. Es steckte bis zum Heft in Nicholas’ Schulter.
Der Dämon befand sich im Leib eines jungen Mädchens, gekleidet in einen Lederminirock, ein Comic-Art-Shirt und geringelte Strumpfhosen; was Nicholas nicht davon abhielt, auszuholen und sie mit dem verletzten Arm am Hals zu packen. Es donnerte und Holz knarrte, als er ihren zierlichen Körper gegen den Türrahmen stieß und sie dort festnagelte. Mit gebleckten Zähnen warf sie den Kopf herum, drosch auf ihn ein und trat so stark gegen sein Knie, dass er um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. Er riss das Balisong-Messer mit der freien Hand aus seinem Fleisch und hieb es neben ihrem Gesicht ins Holz, um sodann ihre Fäuste abzuwehren, die nach ihm schlugen. Bevor er ihre Handgelenke umfasst hatte, gelang ihr ein Treffer gegen seine Schläfe. Der Schlag kam mit einer solchen Wucht, dass rote Kringel vor seinen Augen rotierten.
„Ganz beschissene Idee“, fauchte er, als sie nur noch hilflos zappeln konnte.
Sie gab unartikulierte Laute von sich und spuckte. Wie er verließ sie ihren Menschenkörper trotz ihrer prekären Lage nicht. Hinter ihm redeten Joana und Rut wild aufeinander ein, die alte Clerica heulte. Es dauerte eine paar Sekunden, bis er das Wort „Missverständnis“ heraushörte. Jo erschien neben ihm, die dunklen Augen weit aufgerissen und starr vor Schreck, eine Hand beschwichtigend auf seiner Schulter.
„Sie dachte, ihr … greift mich an“, stammelte Rut, verirrte sich ins Isländische und fand dann doch die Worte wieder, die er verstand. „Sie wollte mich schützen, sie wollte mich …“
Es irritierte ihn, dass sie ihn nicht bannte. Sie versuchte es nicht einmal. Er ließ der Dämonin ein wenig Luft. „Stimmt das? Rede jetzt, oder du kannst es gleich nicht mehr.“
„Sie ist stumm“, jaulte Rut. „Sie kann nicht sprechen. Bitte lass sie los, tu ihr nicht weh.“
Dreck noch mal, aber die Entschlossenheit, mit der das Dämonenmädchen seinen Blick erwiderte, gefiel Nicholas. Die Kleine war vermutlich nicht besonders alt. Ein junger Dämon, aber mutig wie ein Großer. Ein Balisong zu beherrschen und mit solcher Präzision zu werfen, zeugte von Geschick. Er schleuderte sie herum und stieß sie von sich, sodass sie rücklings gegen den Tisch prallte. Sofort hinkte Rut an ihre Seite und die beiden umarmten sich tröstend, wobei die Dämonin Nicholas nicht aus den skeptisch verengten Augen ließ. Rut redete auf Isländisch beruhigend auf sie ein, erklärte ihr offenbar, was passiert war, und was die Fremden in ihrem Haus zu suchen hatten.
Joana atmete vernehmlich aus, zupfte vorsichtig an seiner durchlöcherten Jacke und streifte ihm diese dann von der Schulter, um
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