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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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an. „Ich verlange nicht viel von dir. Dein Gewissen bleibt rein und dem Nybbas wird vorerst nichts geschehen.“ Sie legte sich eine Hand vor die Lippen, kicherte hinter ihren Fingern. „Darum geht es dir doch, nicht wahr? Hab keine Angst. Es ist nicht in meinem Interesse, das Potenzial einer solchen Verbindung durch einen ordinären Mord zu vernichten. Du musst dich nicht sofort entscheiden. In Kürze wirst du von mir hören.“
    Ehe er sich versah, küsste sie seine Wange. Ein weiches, warmes Gefühl auf der Kälte seiner regennassen Haut. Dann stieg sie in den Jaguar. Die Tür schlug zu und der Wagen rauschte davon, gleichmäßige Spurrillen in die Nässe des Asphalts ziehend. Sie verschwammen vor Elias’ Augen.

8
    J
oana hauchte in ihre vor Kälte schmerzenden Hände, bevor sie um das Lenkrad des Landrovers griff. Das Heizgebläse spie ihr eisige Luft entgegen, sodass ihr Atem im Wageninneren Wölkchen bildete.
    „Ich hatte angenommen, dass es in Island kälter ist“, meinte Nicholas, nicht zum ersten Mal an diesem Vormittag.
    Dabei zog er die Hände in die Ärmel seiner Lederjacke, unter denen der Wollpullover hervorlugte, und verbarg das Kinn hinter dem Rollkragen.
    Sie warf ihm einen frostigen Blick zu. „Also mir reicht’s.“
    Nicholas presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, wie er es in den letzten Tagen häufiger tat. Elias’ Anrufe wurden seltener, seine Berichterstattungen von Tag zu Tag knapper. Die Enttäuschung drückte ihm aufs Gemüt, dies senkte Joanas Laune, und die ihnen beiden verhasste Kälte tat ihr Übriges. Dass ihr von all den Kaubonbons, mit denen sie sich im Flugzeug über ihre Flugangst hinweggetröstet hatte, ein bisschen übel war, machte die Situation keinen Deut besser. Sie justierte den Rückspiegel und fuhr vom Hof der Mietwagenstation in Keflavik. Der Geländewagen erinnerte sie an Nicholas’ BMW, auch wenn er bei Weitem nicht so komfortabel war und der Dieselmotor grollte, anstatt zu schnurren.
    Island hatte sie mit schummrigem Zwielicht empfangen, doch nun, gegen Mittag, machte sich die Sonne gemächlich ans Aufgehen und vertrieb das Grau der Dämmerung.
    „Ob wir Polarlichter sehen werden?“, überlegte Joana, während sie auf die Hauptstraße abbog.
    „Möglich.“ Nicholas drehte den Temperaturregler der Heizung hin und her, um diese davon zu überzeugen, endlich ihren Job zu erledigen. „Aber ich hoffe nicht. Weißt du nicht, dass es ihretwegen nahezu keine Dämonen auf Island gibt?“
    „Wegen harmloser Lichter?“
    „Harmlos sind die ganz und gar nicht. Es heißt, wir würden ihnen verfallen. Sie zwingen uns, ihnen in den Himmel zu folgen, bis wir so hoch steigen, dass die Sonnenwinde uns ins All zerren, wo wir elendig verhungern.„
    Nein, das wusste Joana nicht. „Das hättest du mir vielleicht erzählen sollen, bevor ich darauf bestand, dass du mit herkommst.“
    Er zog arrogant einen Mundwinkel hoch. „Keine Sorge. Ich steh auf Frauen, die ich anfassen kann. Funzeln sind nicht mein Typ.“
    Bald hatten sie die kleine Stadt verlassen und befanden sich auf einer schnurgeraden Straße Richtung Reykjavik, die eine Landschaft aus sanften, kärglich von Wintermoosen, Farnen und anspruchsarmen Gräsern bewachsenen Hügeln durchschnitt. Eine Weile sah Joana linker Hand den nachtblauen Nordatlantik, manchmal reichten die Meerzungen oder eine Bucht bis auf wenige Meter an die Straße heran. Zu ihrer Rechten durchbrachen von Flechten bewachsene Felsen und dunkel glänzendes Lavagestein die Graslandschaft.
    Nur hin und wieder kam ihnen ein Fahrzeug entgegen, noch seltener war der Anblick von einsamen Häusern, Gehöften oder winzigen Siedlungen.
    Nach zehn Kilometern erbarmte sich endlich die Heizung und mit den Temperaturen im Wageninneren stieg auch Nicholas’ Laune. Er streckte die Arme, so gut es im begrenzten Fahrzeuginnenraum möglich war, ließ die Gelenke knacken und wandte sich Joana zu. Schalk blitzte in seinen Augen, deren Farbe an den nahen Nordatlantik erinnerte. Ein Strudel aus Grau und tiefem Blau, darin helle Punkte, wie Schaumkronen.
    „Kennst du eigentlich die Geschichte, wie Island entstand, Jo?“
    „Hat sie irgendetwas mit dem zu tun, was meine Erdkundelehrerin versuchte, mir beizubringen? Ich erinnere mich an das Wort ‚Mittelatlantischer Rücken‘, aber an nicht viel mehr.“
    Nicholas schnaubte amüsiert. „Ihr Menschen mit euren Märchen. Wir haben da eine andere Geschichte. Hast du nie von Stoorworm gehört?“
    Sie

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