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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ließ, als er ohnehin war. Im Schrank neben dem Waschbecken fanden sich flauschige Handtücher und ein Arsenal an Duschcremes, Bodylotions und verschiedenen Shampoos. Ihre Füße versanken im dicken Duschvorleger. Die Spiegel wirkten einschüchternd, und zu allem Überfluss waren sie selbst im Inneren der geräumigen Duschkabine. Zwar hatte Joana längst Frieden mitihrem Körper geschlossen, auch wenn dieser nicht lang und gertenschlank und schon gar nicht zierlich und elfenhaft war, ihn jedoch aus jeder Richtung vorgehalten zu bekommen, verursachte ein seltsames Gefühl beim Ausziehen. Sie war versucht, die Augen zu schließen, als sie das Wasser aufdrehte, doch der wagenradgroße Duschkopf barg eine weitere Überraschung: farbige LED-Lämpchen, die dem Nass Farbe verliehen. Zunächst ein kaltes Blau. Als sie es wärmer drehte, wurde daraus Violett, welches ihre Kurven umschmeichelte und sie im Spiegel auf weiche, weibliche Weise schön aussehen ließ. Sinnlich. Für einen Moment starrte sie sich an, dann verschwammen ihre Konturen im Wasserdampf, der sich auf die Scheiben legte. Sie sah an sich hinab und fand sogleich nichts an diesem Körper mehr sinnlich. Etwas stimmte nicht mit ihr, aber sie konnte nicht erklären, woran es lag. Es war fast wie in ihrer Jugend, als sie wegen ihrer dunklen Haut gehänselt worden war. Im Stadtpark von Hamburg hatte sie zum ersten Mal einen Jungen geküsst, einen Weißen. Eine Gruppe älterer Jungs mit rasierten Schädeln hatte etwas daran auszusetzen gehabt, dass sie nicht ebenso weiß war. Joana erinnerte sich, wie die Skins ihren damaligen Freund herumgestoßen hatten. Sie erinnerte sich an die Beleidigungen. Nutte aus dem Busch. Negerschlampe. Schlimmeres. Und dann hatten sie nach ihr gespuckt.
    Der Ekel vor sich selbst war in jenem Moment größer gewesen als der vor dem Speichel, der ihr Haar verklebte. Eine Begebenheit, die sie fast vergessen hatte. Nicht verdrängt, sondern einfach akzeptiert, weil sie längst wusste, dass die Skinheads ihre eigenen Armutszeugnisse ausgestellt hatten.
    Doch nun war es wieder da, dieses widerliche Gefühl von Häme auf der Haut.
    Sie seifte sich ein, wusch den duftenden Schaum von der Haut und gab mehr Duschgel in ihre Handflächen, um es auf ihrem Körper zu verteilen. Die Faszination dieses Luxusbades konnte den so plötzlich hochkochenden Selbstekel nicht überdecken. Sie fragte sich, warum sie so fühlte. Ob es an dem schlechten Gewissen lag, Nicholas angelogen zu haben, ohne darüber nachzudenken? Nein, sie musste sich keine Vorwürfe machen. Er hatte ihr nicht vorzuschreiben, was sie tun oder lassen sollte. Möglicherweise lag es an den zunächst verzweifelt flehenden und dann garstig werdenden Bemerkungen ihrer Tante. Es sollte ihr egal sein. War es leider nicht.
    Sie kratzte mit den Nägeln über ihre Oberarme und drehte das Wasser heißer, so heiß, dass es wehtat. Die LEDs änderten erneut die Farbe und tauchten den wabernden Dampf in rotes Licht. Er versteckte ihren Körper vor ihren skeptischen Blicken. Die Hitze trieb ihren heftigen Puls bis in die Fingerspitzen. Es war zu heiß, ganz sicher, doch Joana schloss die Augen und überließ sich dem Brennen auf ihrer Haut. Das über ihre Lippen rinnende Wasser schmeckte samtig, fast süß und unglaublich gut. Nie hatte sie einen derartigen Geschmack in Leitungswasser erlebt.
    Die Tür glitt lautlos auf und kalte Luft schlug ihr entgegen. Nicholas starrte sie an. Ob sein Blick Irritation preisgab, Besorgnis oder Begehren konnte sie nicht sagen. Sie hätte am liebsten alles auf einmal von ihm gehabt.
    „Sag mal, Jo“, sagte er gedehnt und bewegte eine Hand durch den rötlichen Dampf in ihre Richtung, ohne sie zu berühren, „warum willst du mich nicht dabei haben, wenn du hier ein Höllentor öffnest?“
    Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Spiegelwand. „Komm doch rein.“
    Er ließ sich nicht zweimal bitten, trat zu ihr, ohne zuvor auch nur ein Kleidungsstück auszuziehen, und zischte leise, als das heiße Wasser seinen Pullover durchtränkte. „Du müsstest langsam gar sein“, meinte er, die Hand nach dem Temperaturregler ausstreckend, doch Joana fing die Bewegung ab.
    „Lass es so.“
    „Ziemlich heiß.“
    Er strich über ihr nasses Haar, folgte den schwarzen Wegen, in denen ihre Locken über die Schultern bis zu den Brüsten reichten. Sein Blick wurde glasig, vielleicht lag es am Dampf. Sie zog ihn am Pullover an sich, bis der schwere Stoff an ihrer Brust rieb und das

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