Nybbas Nächte
nicht genau gewusst hätte, mit welchen Berührungen er ihren Körper selbst gegen ihren Willen in die Entspannung zwingen konnte. So schlief sie nach kurzem Grübeln wieder ein, während er ihren Nacken streichelte. Die Frage, was ihm solche Angst gemacht hatte, denn Angst war es eindeutig, nahm sie mit in den Schlaf.
13
A
m nächsten Nachmittag war erneutes Training mit Rut angesagt. Joana rang um Konzentration, doch dies gelang nicht mal im Ansatz. Der Grund waren die Erinnerungen an Tomtes Gesichtsausdruck, die sie immer wieder ihre Beherrschung vergessen und stattdessen kichern ließen. Nachdem sie Tomte am Morgen um neue Kleidung für Nicholas gebeten hatte, da seine Sachen über Nacht klitschnass in der Dusche liegen geblieben waren, hatte der Fuchsdämon sie so konsterniert aus seinen großen Augen angestarrt, dass sie es vermutlich nie wieder vergessen würde. Außerdem war er knallrot geworden. Erst später, beim Frühstück, das sie gemeinsam mit Demjan einnahmen, hatte Joana erfahren, dass seine Verwirrung nichts mit ihrer Frage zu tun hatte, sondern mit ihrem Geruch.
„Er hat keine feste Partnerin“, war Demjans Erklärung gewesen. „Aber er wünscht sich eine. Sex zu riechen ist für ihn, als würdest du vor der Nase eines Alkoholikers auf Entzug besten Wein verkochen lassen.“
Nach seinen Worten war es an Joana, zu erröten.
Demjan schüttelte sich vor Heiterkeit und sagte: „Mach dir keine Gedanken. Er ist nicht an dir interessiert. Es ist schwer zu glauben, dass dir nicht jeder Mann verfällt, aber du bist nicht sein Typ.“
Nicholas betrachtete mit träumerischem Blick die Gabel, mit der er Rührei aufspießte, und sie benötigte nicht ein Zehntel ihrer Fantasie, um sich klar zu werden, dass er sich vorstellte, die Zinken in Demjans Fleisch zu versenken oder dessen Gedärme wie Spaghetti darauf aufzurollen. Ein böses Gefühl, mehr als böse.
Erst jetzt, mit einigen Stunden und vielen Kilometern Abstand zwischen Nicholas und Demjan konnte sie darüber lachen. Besser gesagt konnte sie kaum aufhören, darüber zu lachen. Rut schimpfte ein paar Mal und wandte sich dann kopfschüttelnd ab, um ihre Aufmerksamkeit statt ihrer untalentierten Schülerin lieber einem Kreuzworträtsel zu widmen.
Joanas Belustigung verwandelte sich in Ärger. Verdammt, sie musste endlich Fortschritte machen. Stattdessen alberte sie herum wie ein Kind. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sie sich im Gleichgewicht hatte, doch dann gelang es erneut: Ihr Geist fühlte sich leer an. Befreit. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass überhaupt kein Dämon in der Nähe war, konzentrierte sie sich auf einen intuitiv gewählten Bann.
Cistó, der Lähmungszauber, der ihr schon einmal gelungen war, kam ihr als Erstes in den Sinn. Sie spürte Energien in ihrem Geist knistern, fühlte, wie diese sich unter ihrer Haut einen raschen Weg in ihre Hände suchten und in ihren Handflächen vibrierten. Aus einem Drang heraus zog sie die Glyphe in die Luft. Das Knistern schwoll in ihrem Körper zu einem kurzen Kreischen an und zersplitterte dann.
Joana schwankte und stützte sich auf dem Tisch ab. Für einen Moment schienen gläserne Scherben durch ihren Kopf geschleudert zu werden. Sie rissen etwas auf und ließen das Gefühl aus der Nacht frei. Diese schulddurchtränkte Sehnsucht.
Rut sah sie irritiert an. „Geht es dir gut, Mädchen? Hast du es geschafft?“
„Ich fürchte ja.“ Ihr Kopf dröhnte und der Raum schien zu schwanken. „Ich muss einen Moment hinaus. Bin gleich zurück.“
Sie rannte fast aus dem Haus und plumpste ohne jede Eleganz auf den Treppenstufen der Veranda auf den Hosenboden. Die Feuchtigkeit des Holzes durchdrang ihre Jeans. Die Luft war selbst hier am Rande der Großstadt so rein und klar, dass es Joana danach verlangte, sie gierig in die Lungen zu ziehen. Die Kälte vertrug sich allerdings nicht mit ihrem Asthma, daher zwang sie sich, flach und langsam zu atmen und fragte sich, was dieser Traumnachgeschmack ihr sagen wollte. Er schmeckte so bitter und real, dass er selbst den Albtraum von ihrem Vater in der Höhle fad erscheinen ließ.
Mit in die Hände gestützter Stirn verharrte sie zwischen Grübeleien und dem Wunsch, ebendiese aus ihrem Kopf zu verbannen, als sich leise Schritte näherten. Sunna. Mit fragendem Blick wies sie auf den Platz neben ihr. Joana nickte. Ein wenig schweigende Gesellschaft war nun sicher nicht verkehrt. Sunna ließ sich nieder und schob Joana eine Strickarbeit in
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