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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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gemacht.“
    Joana blätterte sich hektisch in dem Dämonologiebuch bis K vor. „Koshchei“, las sie vor, unsicher, ob sie es richtig aussprach. ‚Koscheej‘, hatte Nicholas gesagt. Fast ein warmes Zischen. „Hüterdämon. Beschworen im achtzehnten Jahrhundert zum Schutze einer russischen Stadt vor der Dämonin Baba, einer menschenfressenden Hexe. Nimmt die Gestalt einer gestachelten Schlange an. Bezwingt nahezu jeden Dämon, der sich im wahren Leib oder als Schatten bewegt durch mentale Kontrolle.“
    Nicholas lehnte sich lässig zurück und verschränkte die Arme im Nacken. „Demjan. Die russische Form des Namens Damian, der da so passend lautet: der Bezwinger.“
    „So herrscht er also über die Fuchsgeister“, mischte sich Rut ein.
    „Es fügt sich in alle Informationen ein, die er uns gegeben hat.“ Joana konnte ein Gefühl der Erleichterung nicht von sich weisen. „Er hat nicht gelogen und uns keine falschen Tatsachen vorgespielt. Spricht irgendetwas dagegen, ihm langsam zu glauben, dass er nichts Böses im Sinn hat?“
    „Ja, mein Wunsch, ihn in mundgerechten Häppchen an sein Fußvolk zu verteilen“, sagte Nicholas leichthin.
    Leider spürte Joana, wie ernst es ihm damit war.
    Ein paar kalte, von Schnee durchzogenem Nieselregen dominierte Tage vergingen mit Übungen, die Joana über den Rand der Erschöpfung trieben. Es wurde kaum hell in diesem Land, und obwohl sie Ruts starken Kaffee literweise trank, fühlte sie sich bald ebenso bleiern, wie der rauchgraue Himmel aussah.
    Es gelang ihr inzwischen häufiger, die Magie zu bündeln und in eine Glyphe zu legen, jedoch benötigte sie weiterhin alle Energie dazu. Hin und wieder entglitt ihr die Magie. So nannte es zumindest Rut. Joana nannte es mentale, rostige Messer, die durch ihr Bewusstsein schnitten und eine verborgene Wunde aufrissen. Immer, wenn das geschah, verabschiedete sich ihr Geist für eine Weile, einer Ohnmacht nicht unähnlich, bis auf den Unterschied, dass sie erst danach zusammenbrach. Ein hundselendes Gefühl von Machtlosigkeit und Scham blieb zurück. Abends kam sie sich vor, als hätte das Training ihr alle Kraft aus Körper und Seele gewrungen, wie Wasser aus einem Schwamm.
    Sie begann, Rut und Sunna mit anderen Augen zu betrachten. Die stille Sunna zeigte sich immer häufiger von einer warmherzigen, aber zurückhaltenden Seite und Joana genoss ihre Gesellschaft. War sie jedoch mit Rut allein, so nahm sie hauptsächlich die Schnitte an deren dünnen Unterarmen wahr.
    „Sie nimmt nicht viel“, erklärte Rut. „Sie braucht nur einmal im Monat ein wenig Blut, kaum mehr als ein kleines Glas voll. Das bekommt sie von mir. So riskieren wir nicht, entdeckt zu werden und schaden niemandem.“
    Joana sah das anders. Rut, die gesundheitlich ohnehin angeschlagen war, auch wenn sie beharrlich verweigerte, Genaueres zu verraten, schadete es mit Sicherheit.
    Doch die Worte der älteren Frau waren eindeutig: „Ich habe mir immer ein Kind gewünscht. Ein Kind, das mich braucht und das ich mit meinem Körper nähren kann. Ich bringe dieses Opfer gern.“
    Joana wollte etwas erwidern. Sunna war kein Kind. Aber wer war sie, Rut dies zu sagen? Der Mann, den sie liebte, war auch mehr als ein Mann, und sie vergaß dies nur allzu gerne.
    Besuche bei Demjan und seinen Füchsen waren eine willkommene Abwechslung. Gerade der schüchterne Tomte wuchs ihr rasch ans Herz. Wenn Nicholas und Demjan über Vergangenheit und Zukunft sprachen, ließ sie die beiden inzwischen allein und durchquerte gemeinsam mit Tomte auf Quads die nähere Umgebung. Schnurrende Motoren, der Geruch nach Benzin und spritzender Schlamm unter den Reifen waren Joana lieber als sensible Gespräche über dämonische Politik. Wenn es für ihre Erkundungstouren zu dunkel oder der Boden durch die Regenfälle zu aufgeschwemmt war, spielte sie mit Tomte Karten. Eine anstrengende Sache, da sie seine Regeln nicht kannte und er sie erst erklärte, wenn sie Fehler machte. Learning by doing – oder besser gesagt: Learning by losing, denn eine Chance bestand gegen ihn nicht. Seine Gesellschaft war trotzdem angenehm. Tomte stellte jene Art von zerstreutem Chaoten dar, wie man sie in Künstler-Cafés vorfand, wo sie nicht existentes Geld versoffen und darüber schwadronierten, dass anderswo der Himmel blauer und das Gras grüner sein musste. Nur dass sie ‚anderswo‘ leider noch nicht gefunden hatten.
    Weiterhin galt es in seiner Nähe, stets Aufmerksamkeit walten zu lassen, denn er war

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