Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
ihn, dem die Ewigkeit offen stand, eine andere Bedeutung hatte. Selbst wenn sie bis ins Alter gesund bliebe, würde ihr Leben enden. Es war kaum zu glauben, dass er so weit in die Ferne dachte. Doch Entfernung war relativ. Fünfhundert Kilometer waren für viele Menschen ein weiter Weg, eine größere Strecke, als manch einer je zwischen sich und seiner Heimat wissen wollte. Für Joana war es eine angenehme Autofahrt von wenigen Stunden. Fünfzig Jahre dagegen galten für sie als Ewigkeit. Was sie für Nicholas bedeuteten, wagte sie sich nicht vorzustellen.
    „Bis es so weit ist, dass ich dich verlassen muss, bist du mich möglicherweise längst leid“, flüsterte sie an seiner Brust.
    Sein Griff um ihre Handgelenke wurde fester. „Das wäre wahrhaft die bequemere Lösung. Ich fürchte allerdings, dass ich mit dir eine andere Erfahrung machen werde. Eine, die ich noch nicht kenne.“ Dann schüttelte er kaum wahrnehmbar den Kopf. „Vergessen wir das für heute Abend. Meet the time as it seeks us, richtig?“
    „Das ist aber ausnahmsweise mal nicht von Poe“, neckte sie ihn liebevoll.
    „Nein, heute brauche ich Shakespeare. Und dich. Wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, dass wir auf die rituelle Jagd verzichten, und du stattdessen dieses heiße, nasse Höllentor im Badezimmer noch einmal für mich öffnest? Und danach will ich ausgestreckt auf diesem weichgespülten Eisbären liegen.“
    Eine Welle von Zärtlichkeit brandete durch ihren Körper; so gewaltsam, dass sie sich wünschte, ihn zu schütteln und dies wohl getan hätte, hätte er nicht ihre Hände gehalten. „Und was werde ich derweil tun?“
    „Du wirst auf mir sitzen“, hauchte er ihr ins Ohr, „und deine Haare festhalten, damit sie dir nichts ins Gesicht fallen. Weißt du warum?“
    „Nein.“ Ihr Wort klang mehr gedacht als gesprochen, da sie den Atem anhielt.
    „Weil ich dir befehlen werde, mich anzusehen, während du mich nimmst.“

15
    N
icholas wartete, bis Joana das erste Mal aus ihrem Traum aufgeschreckt und wieder eingeschlafen war. Noch immer roch der Raum nach Sex. Ihr Erschrecken war in dem schweren Duft kaum wahrnehmbar, wie ein falsches Gewürz in einer Speise, das man nur bemerkt, wenn man weiß, dass es da ist. In ihrem Gesicht klebten Haarsträhnen an getrocknetem Schweiß. Die Kerze, die sie angezündet hatte, war zu einem Stummel herabgebrannt und das Licht übergoss ihre Haut mit einem warmen Schimmer. Ein schönes Bild, um es mitzunehmen.
    Sein Bild, ganz allein seins.
    Er sog es mit einem letzten, vom Duft ihres Körpers und ihrer Emotionen getränkten Atemzug ein, und ließ seinen Körper entspannt neben ihr in die Kissen sinken, bevor er ihn endgültig verließ, und durchs Dachfenster verschwand, ohne sich umzudrehen. Im nächsten Moment hatte er die Bergfestung verlassen und schoss durch die Nacht.
    Es tat gut, den Körper zurückzulassen, dadurch fiel es leichter. Nicht, dass der Schattenleib über weniger Emotionen verfügte, doch sie durchflossen ihn sanfter, wie breit gestreutes Licht. Im menschlichen Körper dagegen schienen einige Gefühle sich zu bündeln und wurden zu Laserstrahlen, die genug Kraft hatten, etwas in ihm zu versengen. Diesen Schmerz ließ er hinter sich, er würde sein Vorhaben nur stören.
    Der Plan verfügte lediglich über ein Grundgerüst. Darüber hatte Elias sich erfolglos beklagt. Es galt, möglichst nah an den Luzifer heranzukommen, ohne von ihm bemerkt zu werden. Dies erforderte einen neuen Körper. Einen unauffälligen, den niemand kannte. Ob er den offenen Kampf riskieren oder eine List versuchen sollte, war dem Nybbas unklar. Auf seine Spontanität war mehr Verlass als auf die Vorsicht. Das Wichtigste war, den Luzifer nicht noch weiter auf Joanas Fährte zu locken. Das Opfer war so schmerzhaft wie notwendig. Er musste sie verlassen, denn ohne es zu wollen, zog Nicholas eine permanente Spur, die den Fürsten zu ihr führte, wie ein waidwundes Tier, das den Jäger durch Blutstropfen zu seiner Herde führt. Der Ausweg war, die Rollen zu tauschen und den Jäger zum Gejagten zu erklären. Halali.
    Dies als Plan zu bezeichnen, war nüchtern betrachtet ein schlechter Scherz. Aber er konnte immerhin hoffen, der Luzifer würde sich totlachen.
    Der Nybbas flog so hoch, dass sich das Land nur als finstere Masse unter ihm abzeichnete. Wind durchflutete ihn und führte einen Duft mit sich, der ihn zögern ließ. Ein vertrauter Geruch. Zu vertraut, um hierher- zupassen. Er setzte zur

Weitere Kostenlose Bücher