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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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„Nicholas.“
    „Du hattest zweifellos mit jemand anderem gerechnet.“
    Es wunderte ihn, wie ruhig seine Stimme klang. Sein Herzschlag schien verlangsamt, als wäre sein Blut zu zähem Schlamm verrottet.
    Sie verhüllte ihren halb nackten Körper mit der Decke, warf diese dann von sich, als hätte der Stoff nach ihr gebissen und zerrte ihr Nachthemd tiefer.
    „Das … das ist nicht, wie du denkst.“
    „Wie originell. Mach dir keine Mühe, mich zu belügen.“
    Er wandte sich ab, durchmaß den Korridor in langen Schritten. Es war seltsam still. Als hätte jemand seiner Welt den Ton abgedreht. Er hörte seine eigenen Schritte nicht; ihre ebenso wenig, doch er spürte, dass sie ihm folgte. Eine kleine Gruppe Fuchsdämonen kam um die Ecke und ihm in die Quere. Sie stoben hektisch in alle Richtungen davon, pressten sich eng an die Wände, um ihm Platz zu schaffen. Er dachte an die erste Nacht, die sie gemeinsam hier verbracht hatten. Sie hatte gesagt, dass sie telefonieren wollte, und war allein mit Choskeih in diesem Zimmer gewesen. Danach hatte sie sich verwirrt gezeigt, wollte unbedingt duschen, bevor sie Nicholas näher kommen ließ.
    Ständig hatte sie herkommen wollen.
    War Demjan nicht der höfliche Pazifist, den Joana gern hätte? Er bot alles, was sie wollte. Frieden. Sicherheit. Ein Versteck inmitten von Halbdämonen, die ihre Freunde werden könnten. Nie wieder Einsamkeit.
    Die Linien verliefen ineinander und fügten sich zu einem Bild, das er nicht sehen wollte. Er zwang sich zum Hinsehen.
    Sie trieb es mit Choskeih. Wer weiß, wie lange schon.
    Die Tür zum gemeinsamen Zimmer schlug er auf, sodass Holzsplitter aus dem Türstock spritzen. Autoschlüssel. Wo waren die beschissenen Autoschlüssel? Kleidungsstücke flogen, als er sie hektisch durchsuchte, doch er fand nur sein Mobiltelefon.
    Joana erschien im Türrahmen. „Nicholas, bitte. Hör mich an. Ich weiß nicht, was da eben geschehen ist.“
    Ihre Stimme war nur ein Flüstern. Erbärmliches Flehen. Er hörte sie, ließ aber nicht zu, dass sie ihn erreichte. Nicht, als sie lauter sprach und nicht, als sie nach seinem Arm griff.
    „Lass mich los. Sofort.“
    Sie dachte nicht daran und er stieß sie so grob von sich, dass sie mit dem Rücken gegen die Kommode prallte. Auf seinem Unterarm blieben glühende Streifen von ihren Fingernägeln zurück. Er konzentrierte sich auf das Brennen, band seine Beherrschung an dieses Gefühl. Kaum erreichte er die Tür, war sie wieder neben ihm, krallte ihre Hand in sein T-Shirt.
    „Bleib hier und hör mir zu!“
    „Es gibt nichts, was ich hören will.“ Erstaunlich, wie gelassen er nach wie vor klang.
    „Du …“, sie blinzelte gegen Tränen an, die ihm gleichgültig waren, „lässt mich jetzt nicht fallen, oder?“
    „Nein.“ Sein Blick glitt unwillkürlich ihren Körper hinab. Diesen Körper, den er für sich wollte, und densie Choskeih schenkte. Sie mochte mäßig bekleidet sein, doch es waren seine Nerven, die nackt lagen. Aus einem Impuls heraus schubste er sie ein weiteres Mal grob zurück. Sie landete mit dem bloßen Hinterteil auf dem Boden. Für einen Moment war der Wunsch, sie herumzuwerfen und für sich zu beanspruchen – gewaltsam zu beanspruchen – überwältigend. Er wollte sie dabei nicht ansehen, ihr lediglich klarmachen, dass sie ihm gehörte. Ihm allein. Ein kleiner, schwacher Teil in ihm rang dieses Bedürfnis mit viel Mühe nieder. Nein, er würde nicht zum Tier werden. Obwohl das die Sache einfacher gemacht hätte.
    „Nein“, wiederholte er klar, zu sich selbst sprechend wie auch zu ihr. „Ich lass dich nicht fallen. Ich schmeiß dich weg.“
    Ein Schlag fegte die Vase von der Kommode hinunter. Sie flog dicht über Joanas Kopf und zerschellte an der Wand. Ohne den Autoschlüssel stürmte Nicholas aus dem Zimmer.
    „Wo gehst du hin?“, hörte er sie erstickt rufen.
    Choskeih jagen.
    „Bleib hier!“
    Da war etwas in ihrer Stimme, ein bezwingender Ton, der ihn innehalten ließ. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie schwer atmend die Hände hob.
    „Bleib. Hier!“
    „Oder?“ Keine Antwort. „Willst du mich bannen, Clerica?“
    „Nein.“ Ihre Stimme zitterte, ebenso ihre Emotionen. Sie verschloss sich, sodass er alles ahnen und nichts mit Gewissheit spüren konnte. „Das ist das Letzte, was ich will. Aber ich tue es, wenn ich muss.“
    Nicholas wartete zwei, drei ihrer Atemzüge ab. Spannung vibrierte in der Luft, es war greifbar zu spüren, dass sie ihre Energien sammelte. Er

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