Nybbas Nächte
der Bergfestung, stocherte in den Snacks herum, die ständig nachgereicht wurden, und schob Tomaten auf Nicholas’ Teller, ehe er sie von ihrem stibitzte. Mit schweren Lidern beobachtete sie das muntere Treiben. Die niedrigen Decken des Baus sowie die schwache Beleuchtung einiger Fackeln machten den Raum zu behaglich, um trotz der Lautstärke nicht gelegentlich zu gähnen. Flackerndes Licht ließ die Schatten der Reliefs munter über die Wände tanzen.
Die Fuchsmenschen feierten ausgelassen, zeigten allerdings deutlich, dass sie lieber unter sich geblieben wären. Hatten sie Joana und Nicholas zunächst noch die vertraut gewordenen, misstrauischen Blicke zugeworfen, so ignorierten sie ihre Anwesenheit inzwischen stoisch und tanzten zu einer interessanten Musikzusammenstellung. Der DJ wechselte stimmungsvoll Oldie-Klassiker mit aktuellen Hits aus den Charts und Folklore. Psychedelische Rocksongs von isländischen Sängern, unter denen Joana nur Björk erkannte, rundeten die Mischung ab. Am Boden klebte bereits das eine oder andere verschüttete Getränk, die Gerüche mischten sich mit denen verschwitzter Körper.
Tomte kam hin und wieder auf ein paar Worte, bündelte seine Aufmerksamkeit aber sofort immer wieder auf eine magere junge Frau mit buschigem, lehmfarbenem Haar und einer entzückenden Lücke zwischen den Schneidezähnen. Es musste sich um Hella handeln; Tomte hatte Joana von seiner aussichtslosen Liebschaft zu ihr erzählt. Er liebte sie, sie liebte ihn. Doch da er als Laufbursche keinen hohen Rang hatte, und ihr Vater zu den angesehensten Fuchsdämonen des Rudels gehörte, war den beiden allenfalls eine Affäre erlaubt, jedoch keine dauerhafte Verbindung. Romeo und Julia auf halbdämonisch.
Mit einem Seufzen wandte Joana den Blick von den Unglückseligen ab. Gerade rechtzeitig, um mit anzuhören, wie Nicholas Demjan zum ersten Mal auf dessen Fähigkeiten ansprach.
„Funktioniert deine Kontrolle bei jedem Dämon?“, fragte er, einen herausfordernden Ton durchschimmern lassend. „Könntest du mich kontrollieren?“
Das versprach interessant zu werden, wenn nicht gar ein wenig gefährlich. Dämonische Fähigkeiten galten als pikantes Thema und Demjan hatte bislang gemieden, über seine zu sprechen. In Joanas Nacken richteten sich die ersten Härchen auf.
„Davon kannst du ausgehen, mein Freund.“ Demjan hielt den Blickkontakt, seine Augen wurden eisig. „Ich bin weit gereist, doch fand nur einen Dämon, der mir auch im echten Leib widerstand. Einen Fürsten. Ihm schwor ich meine Treue.“
Nicholas entwich ein Schnauben, es klang abfällig, und alarmierte Joana. Mach keinen Mist, flehte sie innerlich.
„Du möchtest mich herausfordern, Nicholas?“ In Demjans rauer Stimme vermischten sich Spott, Amüsement und ein Hauch von Drohung.
Joanas Nackenhärchen hüpften wild auf und ab. Nicholas würde darauf eingehen müssen, wenn er nicht das Gesicht verlieren wollte. Die Vorstellung, Demjan würde den Nybbas kontrollieren, erschreckte sie bis ins Mark. „Nein!“
Beide Männer sahen sie erstaunt an. In Nicholas’ Gesicht stand ein Ansatz von Skepsis.
Demjan grinste. „Du brauchst keine Angst zu haben, Joana. Ich würde niemanden in Gefahr bringen.“
Nein, er würde lediglich die Situation nutzen, um Nicholas zu diffamieren. Was dieser sich nicht gefallen ließe, soviel war Joana klar, und auch Demjan ganz sicher bewusst.
„Ich möchte nicht, dass er sich in seiner wahren Gestalt zeigt“, presste sie hervor. Sie mied Nicholas’ Blick; wusste, dass nun sie es war, die ihn beleidigte. Doch damit käme er zurecht. Ein Affront aus Demjans Mund zöge Konsequenzen nach sich, die den fragilen Waffenstillstand überstrapazieren und zerreißen würden. „Ich will es nicht“, wiederholte sie fest. „Ich habe Angst vor ihm.“
Hatte jemand eine Tür offen gelassen und Durchzug verursacht, oder waren es die Launen der beiden Männer, die die Temperatur plötzlich absinken ließen? Demjan schien von ihrem Geständnis einerseits überrascht, andererseits zeigte er offen seine Enttäuschung. Nicholas blieb äußerlich vollkommen gelassen, doch innerlich brodelte er. Joana sah, wie er unter dem Hemd seine Bauchmuskeln anspannte. Sie wusste, was das bedeutete. Den Nybbas drängte es gewaltsam hinaus und Nicholas brauchte alle Willenskraft, um zu widerstehen. Er würde mit einigen blauen Flecken für ihre Worte bezahlen müssen. Joana biss sich auf die Lippe und hoffte, dass es das wert war.
Es
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