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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Hause gehen.“
    Nach Hause. Guter Witz.
    Joana zählte die Strecke nicht in Metern oder Kilometern, sondern in den gelben Begrenzungspfeilern, die in halbwegs regelmäßigen Abständen die Schotterstraße säumten. Sie zählte achtzehn, neunzehn, zwanzig gelbe Pfeiler, bis sie in der Ferne die Laternen der kreuzenden Hauptstraße ausmachte, die nach Reykjavik führte. Aufatmend beschleunigte sie ihre Schritte, obwohl ihr linkes Knie inzwischen schmerzte, da der Schock abebbte. Vermutlich geprellt, das würde einen dicken blauen Fleck geben. Sei es drum. Auf der Hauptstraße kam hoffentlich bald ein Auto vorbei. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie auf einer Fahrt Notrufsäulen gesehen hatte, doch vor ihrem inneren Auge wollte kein Bild entstehen. Dafür manifestierte sich etwas anderes. Es war keine Furcht, sondern deren kribbelnde Vorahnung. Das Gefühl, sich umdrehen zu wollen, weil man meint, eine Präsenz hinter sich zu spüren, obwohl man weiß, dass man allein ist. Joana hatte gelernt, auf die gewisperten Hinweise ihres Unterbewusstseins zu horchen. Sie wirbelte herum. Nichts. Nur schwarzer Himmel und schwarzes Land. Und sie irgendwo dazwischen, beim Versuch, von der Dunkelheit nicht zerquetscht zu werden.
    War da ein Geräusch, wie das Scharren von Füßen? Oder Pfoten? Nur einen Moment gelang es ihr, sich einzureden, dass sie nur den Wind gehört hatte, dann sah sie die schemenhaften Bewegungen.
    Füchse.
    Große Füchse, zweifelsfrei Halbdämonen, und es waren viele. Noch während Joana die dem schwachen Lichtkegel ihrer Taschenlampe ausweichenden Fuchsdämonen auf ein halbes Dutzend zählte, bewegten sich auf der anderen Seite schon weitere Schatten im Dunkel.
    „Könnt ihr mir helfen?“, rief sie auf Englisch. Ihre Stimme klang belegt und viel zu hoch. Warum hatte sie das Gefühl, dass die ihr nicht helfen wollten? Einer der Füchse begann heiser zu kläffen, sofort antworteten andere. Die Laute machten ihr unmissverständlich klar, dass man sie eingekreist hatte. Es mussten inzwischen mehr als zehn sein, und ein Bellen aus der Entfernung kündete davon, dass sich weitere näherten. Ein schmutzig graubrauner Fuchs von der Größe eines irischen Wolfshundes geriet in den taumelnden Schein ihrer Lampe. Um sein Maul lag eine Maske aus Blut, die sein Fell schwarz befleckte. Seine Augen rollten, die Rute zitterte weit ausgestreckt.
    Joana erinnerte sich an das, was Demjan über die rituelle Jagd erzählt hatte, die er nur zu besonderen Gelegenheiten zuließ. Die Fuchsgeister vergaßen sich dann, ließen alles Menschliche hinter sich und lebten ihre dämonische Gier aus. Aus diesem Grund war er stets in der Nähe, wenn sie jagten.
    Nur, dass sie ihn nirgendwo entdeckte …
    Ein Geräusch hinter ihr ließ sie herumstürzen. Das schwarze Vieh war keine zwei Meter mehr von ihr entfernt, sodass das Licht der Taschenlampe sich in den gelben Augen brach. Joana schloss die Hand so fest um den gummierten Griff, dass ihre Finger zu kribbeln begannen. Dann schrie sie aus vollem Hals um Hilfe.
    Ihre Stimme ließ die Füchse zurückzucken. Sie warfen sich Blicke zu, schienen sich gegenseitig Mut machen zu müssen. Das Knurren schwoll wieder an und mit ihm das Adrenalin in Joana, das die Furcht zu verzweifelter Aggression aufpeitschte. Sie schwang die Taschenlampe wie einen Knüppel und stampfte mit Geschrei auf den Fuchs zu, der ihr am nächsten war. Er winselte erschrocken, wich mit eingezogenem Schwanz in die Dunkelheit zurück, doch im gleichen Moment formierten sich zwei der Biester hinter ihr. Sie bleckten die Zähne und sträubten das Nackenfell, wodurch sie noch bulliger aussahen. Joana starrte in schlitzförmig verzogene Augen.
    „Haut ab!“, brüllte sie und hieb mit der die Taschenlampe zu. Sie verfehlte die schnappenden Schnauzen haarscharf. Geifer troff von weit zurückgezogenen Lefzen. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie weitere Füchse einen Halbkreis in ihrem Rücken formten. Der schmutzig braune mit der Blutmaske war unter ihnen. Ein Kläffen klang wie hämisches Lachen. Joanas Magen zog sich zu einem frostigen Klumpen zusammen, als sie erkannte, dass es genau das war. Gelächter. Die Biester spielten mit ihr. Verspotteten sie. Rückte Joana vor, wichen sie zurück, um dann hinter ihr wieder aufzutauchen und sie nach und nach einzukesseln. Sie drehte sich im Kreis, scheuchte die sich nun hemmungsloser nähernden Nasen von sich, und musste dabei immer schneller werden. Einer schnappte dicht neben

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