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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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konnte man sich glatt zu Hause fühlen. Außerdem schwang etwas mit, das entfernt an den Duft von Joanas Angst erinnerte. Vielleicht wurde ihr in der Ferne gerade bewusst, dass er sich nicht zum Narren halten ließ. Nicht einmal von ihr.
    Sein Handy riss ihn aus der Lethargie. Es war Elias. Nicholas fertigte ihn mit wenigen Worten ab und versprach, ihn später im Hotel zu treffen. Eine Weile starrte er noch in die fliegenden Schatten aus Licht, ehe er über sein Gesicht rieb und sich abwandte.
    Als Nicholas das Quad startete, die Nordlichternacht hinter sich ließ und Richtung Reykjaviks matt beleuchteter Skyline fuhr, hatte sich jede Mordlust gelegt. Er war einfach nur noch müde.

    Ein Kribbeln am Augenlid weckte Joana. Zunächst dachte sie, aus einer Ohnmacht zu erwachen, doch Anna Nalick sang noch immer von ihrem Soldaten, Joana konnte demnach nur Sekunden weg gewesen sein. Sie hing in den Gurten des Landrovers, der auf der Seite lag. Der Airbag war schlaff geworden. Wenn sie aus dem Beifahrerfenster blickte, sah sie den nächtlichen Himmel.
    Bis auf einen wummernden Kopf spürte Joana keine Schmerzen, aber das wollte nichts heißen. Vorsichtig bewegte sie Arme und Füße und wunderte sich ein wenig, weil alle Körperteile gehorchten. Sie griff nach dem Schalter für die Innenbeleuchtung und drehte den Rückspiegel so, dass er im schwachen Licht ihr Gesicht zeigte. Nur eine kleine Platzwunde an der Stirn, gleich am Haaransatz. Da war ein winziges, über ihr Gesicht gelaufenes Rinnsal aus Blut, das sie wach gekitzelt hatte. Da sie mit ihrem ganzen Körpergewicht im Sicherheitsgurt hing, bekam sie das Gurtschloss nicht auf, konnte sich jedoch herauswinden. Sie holte die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und kletterte über die oben liegende Beifahrerseite aus dem Wagen, wobei ihre Füße auf dem Lenkrad und der Handbremse Halt fanden. Ihre Knie zitterten, das linke weit schlimmer als das rechte. Ihre Hände klammerten sich so fest an die Autokarosse, dass sie nur ins Rutschen geriet, aber nicht stürzte. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie es geschafft hatte, aber schließlich stand sie schwer atmend neben dem Wagen.
    In der Finsternis absoluter Einsamkeit konnte sie nur wenig erkennen. Das Licht der Taschenlampe erreichte kaum die Straße. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Ein paar verkrüppelte Büsche hatten den Schwung des Wagens abgefangen. Von einigen Beulen abgesehen, sah er eigentlich nicht so schlimm aus. Das Blech der Motorhaube war an einer Seite einen halben Meter weit über den Motor zurückgeschoben wie ein verrutschtes Tischtuch. Die Scheinwerfer lagen in Splittern am Boden, die Fensterscheiben der Beifahrerseite waren eingedrückt. Vermutlich waren die Achsen verbogen, womöglich sogar eine Radaufhängung gebrochen. Doch sie war sicher, dass sie mit dem Auto noch im langsamen Tempo bis zur Stadt käme, wäre da nicht das Problem, dass er auf der Seite lag. Probehalber lehnte sie sich mit dem Rücken gegen das Dach der Karosse und drückte, doch dies ließ nur ihre Stirnwunde pochen. Der Landrover bewegte sich keinen Millimeter.
    War ja klar.
    Joana hätte am liebsten den Kopf gegen das Metall geschlagen. Sie schlang die Arme um den Oberkörper und scharrte mit den Füßen auf dem steinigen Boden. Es half alles nichts. Sie musste laufen. Bis nach Reykjavik würde sie es nie schaffen, aber mit viel Glück kam jemand vorbei, der ihr helfen konnte. Es war mitten in der Nacht, die ganze Zeit über war ihr niemand begegnet, zumindest bis zur Hauptstraße musste sie demnach allein gelangen. Sie beschloss, vorher zumindest ein Pflaster aus dem Verbandskasten auf ihre Wunde zu kleben und die Rettungsdecke als Kälteschutz mitzunehmen, doch der Kofferraum ließ sich nicht öffnen. Die Karosse war verzogen, die Klappe ließ sich nicht bewegen. Die Idee, das Handschuhfach noch einmal nach etwas Nützlichem zu durchsuchen, verwarf sie wieder. So, wie ihr die Knie wackelten, würde sie sich bei der Kletterpartie ins Auto noch ernsthaft verletzen.
    Verdammt. Warum hatte sie ihr Handy nicht eingesteckt? Selbst ihr Asthmaspray lag auf dem Nachttisch im Fuchsbau. Da lag es gut.
    Sie war Nicholas so überstürzt gefolgt, dass sie keinen Gedanken an etwas anderes verschwendet hatte. An ihn zu denken, ließ sogleich ein paar Tränen aufsteigen. Sie schluckte hart und zwinkerte, bis sie verschwanden.
    „Nicht heulen“, murmelte sie sich selbst zu. „Einfach der Straße folgen, einfach nur nach

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