Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Aufstand der Dämonen kommt. Oder willst du dann hilflos zusehen, obwohl du die Macht hättest, sie aufzuhalten? Willst du getötet werden, weil du zu borniert warst, zwei Wochen deiner Zeit zu opfern?“
Agnes erwartete keine Antwort. Sie öffnete die Tür zu einem der Gästezimmer und ließ ihre Nichte eintreten. „Ich habe deine Hygieneartikel und etwas Wäsche eingepackt. Tina bringt es dir gleich, weiterhin Kleidung, sowie alles, was du sonst noch brauchen wirst. Du kannst ihr vertrauen, sie ist vielleicht etwas vorlaut, aber eine gute Seele.“
Unbehagen ermächtigte sich Agnes. Nicht alle Mitglieder der Zunft konnte man als gute Seelen bezeichnen. Sie atmete tief durch, während Joana ans Fenster trat und ihre Stirn an die Scheibe lehnte. Sie sah aus, wie ein gefangenes Tier. Der Anblick tat Agnes in der Seele weh. „Liebes, ich möchte dich noch um eins bitten: Halte dich von Arnd fern. Geh ihm am besten aus dem Weg. Er ist … keiner von uns.“
„Was meinst du damit?“, fragte Joana ohne sich umzudrehen. „Er saß mit am Tisch und wurde sogar als Ratsmitglied vorgestellt.“
„Er gehört zu den Reinigern. Deren Oberhaupt ist grundsätzlich Teil unseres Rates. Es sind mächtige Menschen, aber sie unterliegen nicht dem Verhaltenskodex der Clerica. Sie übernehmen Aufgaben, die uns anderen verboten sind.“
„Welche Aufgaben?“
„Das wirst du erfahren, wenn es soweit ist. Lass dir nur eines gesagt sein. Halte dich von ihnen fern. Sie sind gewissenlos, das bringt ihre Arbeit über die Jahre so mit sich. Und Arnd ist grundsätzlich ein Mann, der niemandem traut. Er hat das zweite Gesicht, nur darüber offenbar längst verlernt, seine Augen zu benutzen.“
Agnes sah Joana schwer schlucken. Mehr durfte sie ihr nicht sagen, aber ganz offensichtlich zog ihre Nichte die richtigen Schlussfolgerungen. „Soll ich dich jetzt einen Moment allein lassen?“
Joana schüttelte den Kopf. Ihre Stimme war brüchig, als sie sprach. „Erzähl mir mehr über diese Wesen. Das dort unten im Keller, das war tatsächlich ein Dämon?“
Sie wurde neugierig, das war gut. „Nur ein kleiner. Es war ein Trumachi, eine Art Poltergeist. Sie werden beschworen, um verhasste Mitmenschen zu schikanieren, aber im Grunde sind sie harmlos. Dadurch eignen sie sich hervorragend zum Trainieren unserer Fähigkeiten, denn letztlich läuft das Bannen immer gleich ab, egal wie stark oder schwach der Dämon ist. Wir lähmen sie in ihrer Schattengestalt und sperren sie in ein Gefäß.“
„Das ist barbarisch“, murmelte Joana und drehte sich um. „Dieses arme, kleine Ding.“
Jetzt musste Agnes lachen. „Wahrhaftig, du bist deines Vaters Tochter. Das hat er auch gesagt, als er diesen Biestern das erste Mal gegenüberstand. Aber glaube mir, Joana, wir haben daraufhin einen Trumachi nachts in seinem Zimmer freigelassen. Danach fand er es nicht mehr so barbarisch, sie einzusperren.“
„Was tun sie?“
„Sie trinken Blut. Nicht viel, gefährlich werden sie nicht. Aber ihre Bisse sind äußerst schmerzhaft, wie entzündete Mückenstiche. Es sind nervtötende kleine Wadenbeißer und am liebsten plagen sie kleine Kinder.“
Joana sank auf die Bettkante. „Doch es gibt Schlimmere?“
„Oh ja.“ Agnes ließ sich neben ihr nieder. „Größere, die sich von viel mehr ernähren, als nur von Blut. Vor allem aber haben mächtige Dämonen die Macht, in den Körper eines Menschen zu fahren, womit sie für uns nicht mehr aufzuspüren sind. Du wirst die Präsenz des Dämons im Keller wahrgenommen haben. Wenn du nach mir oder deinem Vater kommst, wirst du einen machtvollen Dämon in Schattengestalt über beinahe hundert Kilometer weit spüren, sobald du etwas mehr Erfahrung hast. Doch verbirgt er sich im menschlichen Körper, hast du diese Möglichkeit nicht. Dann ist er unsichtbar für deine Augen, deine Sinne, du könntest an ihm vorbeilaufen, ohne ihn zu erkennen.“
Joana erzitterte heftig. Sie rieb sich über die Arme, als müsse sie sich wärmen. „Wie … wie jagt ihr sie dann?“, fragte sie, das Gesicht verspannt, als hätte sie körperliche Schmerzen.
„Du kannst einem Menschen auch nicht am Gesicht ablesen, ob er guten Herzens ist oder einen Mord begangen hat. Trotzdem werden Morde aufgeklärt. Auch die Dämonen hinterlassen Spuren und machen Fehler. Meist führen uns ihre Opfer zu ihnen. Es gibt eine Möglichkeit, mit der wir sie aus ihrer menschlichen Gestalt zwingen können, wenn wir erst einen Verdacht haben. Oft werden
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