Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
mir“, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. „Ich wollte dir nicht wehtun. Verdammt, ich wollte nur …“
„Ist gut“, flüstere Joana heiser. Sie warf mühsam einen Blick über ihre Schulter. Das T-Shirt war zerrissen. Unter den Fetzen waren die Spuren riesiger Krallen in ihre Haut geritzt. Aber nur an einer Stelle liefen ein paar Tropfen Blut ihren Rücken hinab. „Sind nur Kratzer.“ Das Sprechen schmerzte im Hals. Sie lehnte sich wieder gegen seinen Körper.
Nicholas starrte auf seine rechte Hand. „Ich wollte verhindern, dass du stürzt. Ich wollte mich nicht materialisieren, es war ein Reflex, um dich aufzufangen.“
Sie griff nach seinen Fingern und legte seinen Handrücken an ihre Wange. „Es ist okay, Nicholas.“
„Mitnichten. Das, was du gerade vor dir siehst, hat keine vollständige Kontrolle über den Dämon, Joana. Nicht über den Leib, der dich verletzt hat. Der kennt nur Gier, ist vollkommen zügellos. Er hätte dich umbringen können. Ich hätte dich umbringen können.“
„Hast du nicht“, krächzte sie. „Hör auf.“
Er nickte, rieb ihr fahrig über den Arm. Sie schloss die Augen.
„Was ist denn überhaupt passiert?“, wollte er wenig später wissen. „Warum bist du zusammengebrochen? Du warst so mutig, und dann …“
Joana schluckte schwer. Ein Gefühl, als kratzten Fingernägel in ihrem Hals über Schleifpapier. „Asthmaanfall.“ Das war gelogen – wie so vieles. Doch die heftige Reaktion ihres Körpers auf seinen Schattenleib wollte sie nicht erwähnen. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie eine Clerica war. Um dies zu offenbaren fehlte einfach noch zu viel. Wie würde er darauf reagieren? Wie würde … das Ding in ihm darauf reagieren?
Joana erzitterte am ganzen Körper. Es waren nicht allein die Geschehnisse der letzten Minuten, die ihre Dämme und jede mühsam aufrechterhaltene Selbstkontrolle zusammenstürzen ließen. Aller Schrecken der letzten Tage brach ungezügelt hervor und entlud sich in einem hysterischen Weinkrampf.
Er zog sie mit leisem „Schschsch, es ist vorbei“, näher an sich und wiegte sie in seinen Armen.
Es war fast drei Uhr nachts, als Nicholas den Wagen vor Joanas Haustür parkte. Die Rückfahrt war schweigsam verlaufen und wenngleich sich Joana nach dem Zusammenbruch tatsächlich viel befreiter fühlte, war sie schrecklich erschöpft. Sie brauchte ihre ganze Willenskraft, um nicht durch den Flur zu taumeln. Beim kleinsten Schwanken würde er sie wieder hochheben und tragen, wie er sie auch vom Strand zum Auto getragen hatte, nachdem sie sich ausgeweint hatte. Es war ihr so peinlich gewesen. Ihre Auffassung von Emanzipation hatte ihn jedoch kalt gelassen, ihr entrüstetes Quieken und jeder Widerspruch ebenso.
Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie die Wohnungstür nicht aufbekam. Schließlich nahm er ihr den Schlüssel aus der Hand und öffnete die Tür.
„Bleibst du?“ Die Worte stahlen sich unüberlegt über ihre Lippen, dabei hatte sie sich diese Frage fast die ganze Fahrt über gestellt.
Nicholas bejahte, als wäre es selbstverständlich. Dann stutzte er. „Es sei denn, du fürchtest dich und willst, dass ich gehe.“
„Nein“, gab sie zu und lächelte schwach. „Es klingt sicher seltsam, aber ich habe mir schon als Kind immer vorgestellt, dass ein Monster unter meinem Bett hockt. Das war mir einfach lieber, als ganz allein zu sein.“
„Interessant.“ Er schmunzelte und zog sanft eine ihrer Locken zwischen seinen Fingern glatt. „Ich werde aber nicht unter deinem Bett schlafen, das kannst du vergessen.“
Aller Schwäche zum Trotz bestand Joana auf eine Dusche, hüllte sich danach in ihren Bademantel und schlich unsicher zurück ins Wohnzimmer.
Er saß auf dem Sofa, den Kopf auf der Rückenlehne abgelegt, die Augen geschlossen. Joana lächelte unweigerlich, da öffnete er träge die Lider und sah sie an. In seinem Blick lag eine Wärme, die sie noch nie an ihm gesehen hatte. Wie konnte Ozeansturmblau im Zwielicht einer einzigen voltschwachen Tischleuchte so warm scheinen? Gleichzeitig sprach aus seinem Gesicht eine solche Müdigkeit, dass Joana selbst ein Gähnen unterdrücken musste.
Er trat zu ihr und schob sie langsam Richtung Schlafzimmer. Sie ließ ihn gewähren, war viel zu erschöpft, um sich eigene Gedanken zu machen. Nachdem er sie bäuchlings aufs Bett geschoben hatte, lockerte er den Bademantel und schob ihn ein Stück nach unten, sodass die Kratzer auf
Weitere Kostenlose Bücher