Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
vergaß.
    Claire saß auf der Treppe, als ich rauskam. »Was haben Sie denn da drinnen entdeckt?« fragte sie.
    Ich erzählte ihr von dem Bild und zeigte ihr meine Skizze. »Durch die Übertragung ist eine Menge verlorengegangen«, sagte
     ich. »Wollen Sie nicht noch mal mitkommen und einen Blick darauf werfen?«
    Ein Schauder überlief sie. »Ich habe mehr als genug gesehen.«
    »Sie haben recht. Sie brauchen eine Verschnaufpause. Die Polizei wird sich schon damit befassen.«
    »Ich hoffe nur, sie lassen mich in Ruhe. Ich habe ihnen nichts zu sagen.« Sie schloß die Tür zu, und wir gingen zum Auto.
     »Wie geht es Ihrer Hand?«
    »Das Aspirin hat geholfen. Ich glaube nicht, daß irgendwas gebrochen ist.«
    »Na, Gott sei Dank!« Sie warf eine Reisetasche auf den Rücksitz.
    »Claire?« fragte ich, als sie den Wagen anließ. »Als Officer Mitchell uns erzählte, daß Mercy tot sei, haben Sie gesagt: ›Sie
     haben Mercy erwischt.‹ Erinnern Sie sich daran?«
    »Nein, aber ich kann mir denken, was ich damit meinte. In Alabama gibt es eine Reihe von Leuten, die gute Geschäfte mit dem
     Verkauf von Folk-Art machen. Sie kaufen die Werke für ein Butterbrot und schaffen die Sachen dann nach New York oder Chicago.
     Ich weiß, daß Mercy ein paar Drohanrufe erhalten hat. Sie hatten Angst, die Künstler könnten herausfinden, wieviel ihre Arbeiten
     wirklich wert waren.«
    »Drohanrufe?«
    »Nicht bedrohlich genug, um Mercy wirklich Angst einzujagen. |275| Sie sagte ihnen, sie sollten zur Hölle fahren. Vermutlich hatte es nichts zu bedeuten.«
    »Vermutlich.« Wir fuhren ein paar Minuten lang schweigend dahin. »Haben Sie noch Arbeiten von Ihrem Mann?« fragte ich.
    »Oh, eine ganze Menge. Irgendwann wird es eine Ausstellung mit seinen Werken in einer Galerie geben.«
    »Wie hieß er denn?«
    »Fred. Er hieß Fred.«
     
    Schwesterherz’ Haus sah wunderschön aus. Wir aßen an einem schmalen Tisch, den sie in ihrem riesigen Wohnzimmer aufgestellt
     hatte. Durch die Glastüren, die auf eine Terrasse mit Blick über die ganze Stadt führten, sahen wir zwei erleuchtete Weihnachtsbäume.
    Sie hatte doch tatsächlich beide Bäume für sich selbst gekauft, nicht zu fassen. »Du willst wohl den Kahlschlag der Wälder
     in Alabama beschleunigen?« Sie schenkte mir keine Beachtung.
    Im Kamin prasselte ein Feuer, der Kaminsims war mit grünen Zweigen geschmückt, und sie hatte den Tisch sogar mit ihrem guten
     Porzellan gedeckt.
    »Wo ist Santa?« fragte ich.
    »In seiner Werkstatt.« Sie grinste.
    »Mit Tiffany?« Sie trat mir gegen den Fuß.
    Der Abend versprach so richtig schön vorweihnachtlich zu werden. Gute Freunde, gutes Essen, angenehme Umgebung. Interessanter
     Klatsch.
    Aber meine Hand schmerzte nach wie vor ganz furchtbar. Die Bandage war auch der Anlaß dafür, daß die Fahrt zu Claires Reihenhaus
     unser erster Gesprächspunkt war. Es bedurfte einiger Gläser Wein – oder in meinem Fall Diät-Cola – zu den norwegischen Crackern
     und der würzigen Pastete, bis wir durch die Geschichte durch waren.
    |276| Bonnie Blue war eine wunderbare Zuhörerin. »Verdammt«, sagte sie, als ich von der aus dem Sofa gerissenen Füllung erzählte.
     Und »verdammt« sagte sie auch zu der »Hure« über dem Bett und der Messerkerbe in der Tür.
    Ich hob meine verletzte Hand und demonstrierte, wie sie gegen die Tür geknallt war. »Verdammt«, wiederholte sie bewundernd.
    »Abendessen«, rief Mary Alice mittendrin.
    Aber Frances war noch nicht soweit, die Claire-Geschichte ad acta zu legen. »Erzähl mir noch mal von dem kleinen Bild«, sagte
     sie, als wir zum Tisch hinübergingen.
    »Eine Frau, die aussieht wie Mercy Armistead. Langes, rotes Lockenhaar. Sie ist dabei, drei Bilder zu malen. Sie befindet
     sich auf einem Feld oder etwas ähnlichem. Zu ihren Füßen wächst Gras, und sie trägt eine blaue Robe. Die Frauen auf den Bildern
     haben schwarzes Haar, und sie liegen in weißen Gewändern da und halten eine weiße Blume, wahrscheinlich eine Lilie. Sie liegen
     auf einer Art Plattform oder Floß, und im Hintergrund steht möglicherweise ein Schloß. Ich zeig’ es euch nach dem Essen. Ich
     habe eine Skizze in meiner Handtasche.«
    »Verdammt«, sagte Bonnie Blue.
    »Ich denke, das ist ein wichtiges Element. Hat irgend jemand eine Idee, was das zu bedeuten hat?«
    Die Antwort war ein Kopfschütteln von allen dreien.
    »Habt ihr alle schon eure Weihnachtseinkäufe erledigt?« erkundigte sich Mary Alice fröhlich und

Weitere Kostenlose Bücher