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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hindurch bin.
    Ich bog nach links ab und fuhr nach Hause. Ich war noch immer damit beschäftigt, die Nachricht von Claires Verschwinden zu
     verarbeiten. Man hatte ihr Beruhigungsmittel verabreicht, die zwar nicht stark waren, aber doch sicherlich stark genug, daß
     sie ihre Zurechnungsfähigkeit einschränkten. Sie hatte kein Geld dabei, keinen Mantel, keine Schuhe. Sie hing am Tropf. War
     sie so verwirrt, daß sie aus dem Krankenhaus in eine stürmische, eiskalte Nacht hinausspaziert war? Ich wollte nicht über
     die Alternative nachdenken, daß nämlich jemand, wahrscheinlich der Messerwerfer, sie entführt und nach draußen geschleppt
     hatte. Das war immerhin denkbar. Sie war so klein, so zerbrechlich. Warum um alles in der Welt hatten sie sie nicht besser
     bewacht!
    Die ganze Heimfahrt über betete ich innerlich darum, daß Claire es vielleicht, ganz vielleicht bis zu meinem Haus zurück geschafft
     hatte. Aber dem war nicht so. Woofer kam aus seinem Iglu gestürmt, um mich zu begrüßen, und dann rannte er schnell wieder
     nach drinnen. Er ist schließlich nicht dumm. Ich sah nach, ob Nachrichten auf dem Anrufbeantworter waren, aber es gab keine
     – was mich immer deprimiert. Ich rief Mary Alice an.
    |97| »Hier bei Crane«, meldete sich eine helle, junge Stimme.
    »Kann ich bitte mit Mrs.   Crane sprechen? Hier ist ihre Schwester.«
    »Tut mir leid. Mrs.   Crane ist im Moment nicht da. Hier ist Tiffany von den Patenten Putzfeen. Soll ich ihr was bestellen?«
    »Nur, daß ich angerufen habe.«
    »Das mach’ ich. Also dann, auf Wiederhören.«
    »Auf Wiederhören.« Ich legte das Telefon auf und starrte es eine Zeitlang an. Eine Tiffany, die für die Patenten Putzfeen
     arbeitete? Eine Tiffany, die Toiletten schrubbte? Eine Tiffany, die Geld verdienen ging. Und sich dadurch Macht erwarb. Es
     war durchaus an der Zeit, daß das Saubermachen eines Hauses als die ehrenwerte, harte Arbeit anerkannt wird, die es ist. Aber
     eine Tiffany?
    Meine eigenen vier Wände benötigten auch dringend eine Patente Putzfee. Ich zog mir Jeans an und machte mich ans Werk. Ich
     wechselte die Bettwäsche und stopfte einen Korb Wäsche in die Waschmaschine. Ich sprühte Desinfektionsmittel rund um die Toiletten
     und holte den Staubsauger heraus. Gerade wollte ich ihn einstecken, als das Telefon klingelte.
    »Mrs.   Hollowell? Officer Mitchell hier. Sie haben angerufen?«
    »Seien Sie bloß still, Bo Peep«, sagte ich. »Ich weiß, daß Ihnen Claire Moon abhanden gekommen ist.«
    »Sie waren im Krankenhaus.«
    »Und ich habe mit Connie gesprochen. Was zum Teufel geht hier vor?«
    »Was weiß ich.«
    »Sie wußten doch gestern auch, daß Mercy Armistead ermordet wurde. Und waren der Ansicht, daß dieselbe Person hinter Claire
     her ist.«
    »Schon möglich.«
    »Was meinen Sie mit ›Schon möglich‹?« Mir begann etwas |98| zu dämmern. »Sie sind nicht allein und können nicht sprechen. Richtig?«
    »Richtig.«
    Ich hatte eine weitere Eingebung. »Die Polizei hat Claire aus dem Krankenhaus geholt und an einen sichereren Ort gebracht.«
    »Das muß ich verneinen.«
    »Wo kann sie dann sein? Sie ist krank, Bo Peep.«
    »Wir wissen das.«
    »Das kommt mir langsam seltsam vor. Rufen Sie mich zurück, wenn Sie nicht mehr wie ein Roboter reden müssen.« Ich hängte ein,
     steckte den Staubsauger ein und ging damit wie ein Berserker auf den Teppich los. Tiffany von den Patenten Putzfeen wäre zufrieden
     gewesen. Ich staubte ab, warf die Wäsche in den Trockner und erwog, ein paar Weihnachtskarten zu schreiben. Aber ich war nicht
     in der Stimmung dafür. Ich schaltete den Wetterkanal ein und sah, daß die Temperatur auf drei Grad gesunken war. Plätzchen.
     Ich beschloß, die Früchteplätzchen zu machen, die die Jungs immer an Weihnachten haben wollten. Sie würden sich im Gefrierschrank
     prima halten.
    Ich warf einen Blick aus der Küchentür, vermutlich in der Hoffnung, daß Claire auf den Stufen sitzen würde, was sie natürlich
     nicht tat. Dann brühte ich mir eine Tasse Gewürztee auf und machte mich ans Plätzchenbacken. Kaum hatte ich die Plastikschachteln
     mit den Früchten herausgeholt, wandelte sich meine Laune spürbar. Die Farben kandierter Früchte sind beeindruckend, keine
     davon existiert in der Natur. Die roten und gelben mögen ja noch angehen, aber die grünen? Das war reine Kunst!
    Ich zog meine größte Rührschüssel hervor, damit ich die Rezeptmenge verdoppeln konnte. Meine Familie ißt keinen

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