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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die entscheidendste Frage von allen
     nach sich zog: Warum? Ich winkte den Damen im Büro zum Abschied zu und wünschte ihnen schöne Ferien.
    »Sie fehlen uns«, beteuerten sie.
    »Und Sie fehlen mir.« Das stimmte. Ich war mir noch immer |94| nicht hundertprozentig sicher, ob der Ruhestand mit sechzig eine gute Idee gewesen war.
    Draußen hatte es sich eingeregnet, aber es schien nicht kälter geworden zu sein. Ich stellte das Auto auf dem Krankenhausparkplatz
     ab und ging durch einen gläsernen Übergang auf die andere Straßenseite. Unter mir raste ein Krankenwagen den Berg hinauf zur
     Notaufnahme. Puh!
    Die psychiatrische Abteilung war so hell und licht wie am Tag zuvor, was natürliches Sonnenlicht als Quelle der Helligkeit
     im Atrium ausschloß. Ich machte mich auf den Weg zum Schwesternzimmer, um zu sehen, ob Connie Dienst hatte, und mich andernfalls
     auszuweisen und mir eine Besuchserlaubnis zu holen. »Claire ist nicht mehr da«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich
     um und erblickte Connie, die ein Tablett mit Medizin trug. »Mrs.   Hollowell, richtig?«
    Ich nickte. »Was meinen Sie mit ›Sie ist nicht mehr da‹?«
    »Weg. Abgehauen, irgendwann mitten in der Nacht.«
    »Allein?«
    »Wenn sonst keiner bei ihr war.«
    Ich blickte Connie an, um zu sehen, ob sie Witze machte. Anscheinend nicht.
    »Ich habe ihr ein paar Nachthemden mitgebracht«, sagte ich und hielt eine Plastiktüte hoch.
    »Soll ich sie behalten?«
    »Sie sind für Claire.«
    »Ich meinte damit nicht, daß
ich
sie behalten wollte. Ich wollte damit sagen, bis sie zurückkommt.«
    »Kommt sie denn zurück?«
    »Das ist anzunehmen.«
    Mich beschlich der Verdacht, daß es höchste Zeit wurde, Schwester Connie in eine andere Abteilung zu versetzen. »Hören Sie«,
     sagte ich, »erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Heute morgen, als sie ihr das Frühstück bringen wollten, war sie verschwunden. Das ist alles, was ich weiß.«
    |95| Ich hatte plötzlich große Angst. »Haben Sie die Polizei alarmiert?«
    »Ja, sicher, Bo Peep war schon hier.«
    »Was hat sie dazu gesagt?«
    »Sie sagte: Mensch, zum Teufel, Connie. Von wegen ›sicher wie in Abrahams Schoß‹. Außerdem sollte ich Ihnen für den Fall,
     daß Sie auftauchen, sagen, Sie möchten sie anrufen.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Ich versuchte mir in Erinnerung zu rufen, ob Connie schon am Vortag so seltsam gewesen war. Es lagen eine Menge Arzneimittel
     auf dem Tablett. Vielleicht hatte sie ein bißchen von dem Flurazepam genascht.
    Officer Mitchell sei nicht da, erklärte eine Frau, als ich anrief. Sie wollte meinen Namen notieren und veranlassen, daß sie
     mich zurückrief. Ich gab ihr meine Nummer von zu Hause. Von dem Telefon aus, das ich in der zentralen Eingangshalle benutzte,
     konnte ich das trostlose Wetter draußen sehen. Menschen rannten über den Parkplatz zu den Türen, wo sie überlegten, was sie
     mit den nassen Regenschirmen machen sollten. Und irgendwo da draußen lief Claire umher, dachte ich. Krank und durcheinander,
     ohne Mantel und Schuhe. Verdammt, verdammt! Ich verpaßte der Wand unterhalb des Telefons einen Fußtritt. Für euch Idioten,
     die ihr das zulaßt! Alles, was dabei herauskam, war, daß mein Schuh eine Schramme hatte und mir der Zeh weh tat.
    Meine Laune entsprach mittlerweile dem Wetter. Ich hatte meine letzten 2 5-Cent -Stücke für das Telefonat verbraucht, weshalb ich in den Geschenkeladen ging, um mir ein paar Pfefferminzbonbons zu kaufen,
     damit ich später für den Parkplatz Vierteldollar-Münzen hätte. Am Eingang stand zwar ein Wechselautomat, aber den bearbeitete
     gerade ein Mann mit Schlägen, was nichts Gutes verhieß. Und an der Tür des Geschenkeladens war ein handgeschriebenes Schild
     befestigt, das |96| besagte: KEIN MÜNZWECHSEL OHNE KAUF.   Ganz schön kleinlich.
    Ich warf drei 2 5-Cent -Stücke in die Münzsäule an der Ausfahrt, und die Schranke begann sich langsam zu heben. Ich schoß los, sobald ich sie für
     hoch genug befand. Ich habe eine Wahnvorstellung, die ich leichtsinnigerweise eines Tages Mary Alice gestanden habe, nämlich,
     daß diese Schranke, genau wenn ich mit meinem Auto unter ihr hindurchfahre, wieder herunterdonnert,
klong
. Und, was macht meine liebe Schwester? Statt mir zu versichern, daß dies nie passieren kann, schwört sie, von jemandem gehört
     zu haben, der von so einer Schranke enthauptet wurde. Vermutlich hat sie gelogen, aber ich bin jedesmal erleichtert, wenn
     ich sicher

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