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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bereits tot wäre, würde die Polizei sie rund um die Uhr
     verhören.«
    »Ich frage mich, warum sie sich so spinnefeind waren.«
    »Vielleicht kann ich es herausfinden«, sagte Schwesterherz. »Aber falls er ermordet wurde: Mercy war nicht die einzige, die
     was gegen ihn hatte.«
    »Vielleicht war ein abgewiesener Liebhaber im Spiel.«
    »Vielleicht auch einfach ein dummer Jäger.«
    Wir schwiegen einen Moment lang. Der samstägliche Zwei-Wochen-vor-Weihnachten-Verkehr war heftig auf diesem Teil des Highways,
     der ein regelrechtes Nadelöhr darstellte; Wohnsiedlungen, Gewerbegebiete und Einkaufscenter hatten eine ehemals zweispurige
     Bergstraße in den Alptraum eines jeden Verkehrsplaners verwandelt. Und zu allem Überfluß hatten viele der Autos wie das unsere
     einen Baum auf dem Dach.
    Mary Alice mogelte sich zwischen zwei Autos auf eine Spur hinüber, auf der es schneller voranzugehen schien. Das war aber
     nicht der Fall. Wir fuhren etwa drei Meter und hielten dann wieder. »Wohin wollen all diese Menschen bloß?« klagte sie.
    Die Frau auf der Spur neben uns schien Weihnachtspost zu adressieren. Während sie mit der einen Hand eine Adreßliste hielt,
     drückte sie Kuverts gegen das Lenkrad und schrieb. Es sah weder sehr bequem aus, noch dürfte es der Schönheit der Schrift
     sehr förderlich gewesen sein, aber ich konnte nicht umhin, ihr effizientes Zeitmanagement zu bewundern. Während wir untätig
     herumsaßen, adressierte sie immerhin drei Briefe.
    »Das ist wirklich absurd.« Mary Alice trommelte mit den Händen aufs Lenkrad. »Findest du nicht auch, daß Weihnachten längst
     nicht mehr das ist, was es mal war, Maus? Weißt du noch, wie dankbar wir für eine Mandarine waren und ein paar Bonbons?«
    |191| »Ich glaube, du meinst Dickens’ Familie Cratchit, Schwesterherz.
Wir
kamen kaum ins Wohnzimmer rein, so vollgestopft war es mit Geschenken.« Das war wirklich so. Mama machte immer einen unglaublichen
     Wirbel um Weihnachten, und da wir auf beiden Seiten die einzigen Enkelkinder waren, wurden wir mit Geschenken überhäuft.
    »Aber ich erinnere mich auch, für eine Mandarine und ein paar Bonbons dankbar gewesen zu sein. Speziell die Sorte mit der
     kleinen Blume auf der Seite. Meinst du, die werden nach wie vor hergestellt?«
    »Ich habe sie lange nicht mehr gesehen.«
    »Welche Farbe hatte die Blume? Rosa oder gelb?«
    »Das Bonbon war rosa mit einer weißen Seite und einer gelben Blume.«
    »Ich glaube, manche Blumen waren rosa.«
    »Wie solltest du dich daran erinnern können? Du warst viel zu sehr damit beschäftigt, Päckchen aufzureißen. Deine und außerdem
     noch einen Teil von meinen.«
    Mary Alice schnaubte. »Du hattest immer Angst, ich würde mehr bekommen als du.«
    »Normalerweise war das ja auch der Fall. Deine Sachen und, wenn Mama nicht hinsah, auch noch die Hälfte von meinen.«
    »Das ist gar nicht wahr.«
    »Doch.«
    »Du hast meine Shirley-Temple-Puppe absichtlich verschlampt, stimmt’s? Weil du selbst keine bekommen hast.«
    »Ich habe mich bereits dafür entschuldigt.«
    Wir waren inzwischen neben einem Auto angelangt, in dem die Fahrerin ›Southern Living‹ las. Das Titelblatt des Magazins, das
     eine heimelige Szene mit einem weihnachtlich geschmückten offenen Kamin zeigte, gefiel mir, und ich beschloß, mir die Ausgabe
     zu kaufen. Sie hatten neben Wohn- und Lifestylethemen auch immer so leckere Rezepte.
    |192| »Ich habe mich in der Pferdeklinik kurz mit Thurman Beatty unterhalten«, sagte ich, das Thema wechselnd.
    »Hat er irgendwas über Claire gesagt?«
    »Er schien völlig konsterniert, als ich erwähnte, daß ich Glynn und Lynn Needham getroffen hätte. Aufgebracht. Ich denke,
     deshalb ist er auch so überstürzt weggefahren.«
    »Weil du Glynn und Lynn begegnet bist? Warum sollte ihn das aufregen?«
    Wir schoben uns neben eine Frau, die dabei war, sich die Wimpern zu tuschen.
    »Ich glaube, er will herausbekommen, was sie über Claire wissen. Wo sie ist. Zuerst dachte ich, die Zwillinge hätten sie vielleicht
     aus dem Krankenhaus geholt, und dann war ich der Ansicht, es sei Thurman gewesen und die Zwillinge hätten etwas davon gewußt
     und auch daß es ihr gutging. Jetzt denke ich wieder, daß es die Zwillinge waren und daß Thurman von der Sache gar nichts wußte.«
     Ich machte eine Pause. »Kannst du mir folgen?«
    »Klar. Aber da gibt es ein paar bedeutsame Fragen. Warum haben sie sie rausgeholt, und wo ist sie? Was weißt du wirklich über
     diese

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