O du Mörderische
zugeben, daß Betty Bedsole wunderschön gewesen war mit ihrem langen dunklen
Haar, das sie als Scarlett offen und zum Badeanzug hochgesteckt trug. Ihr Lächeln war strahlend, und ihre Augen hatten dieselbe
leichte Schräge, die auch die von Claire Moon so atemberaubend machte.
|203| Es gab Fotos von ihrer triumphalen Rückkehr nach Birmingham, der Menschenmenge am Bahnhof und wieder Blumen. Ich überflog
die Zeitungsseite, als mein Blick plötzlich an einer Stelle hängenblieb. Ich drückte auf »Vergrößern« und sah mir den jungen
Mann, dem sie eine Rose überreichte, näher an. Es könnte Ross Perry gewesen sein. Ich hielt das Radiergummiende meines Bleistifts
über seinen Kopf, um sein Haar abzudecken. Aber ich konnte es nach wie vor nicht sicher sagen, und sein Name wurde in dem
Artikel nicht genannt. Ich rief die junge Bibliothekarin zu mir herüber, um mich zu erkundigen, wie ich an eine Kopie der
Vergrößerung käme.
»Ich hoffe, Sie tragen bequeme Schuhe«, bemerkte ich.
»Tu ich.« Sie lächelte. Ich blickte auf ihre Füße und sah Armeestiefel, die eine Tonne wiegen mußten. Na ja, immer noch besser
als sechs Zentimeter hohe Absätze.
»Das ist doch die, deren Tochter ermordet wurde, stimmt’s?« fragte die Bibliothekarin und deutete auf das Foto.
Ich nickte. »Betty Bedsole.«
»Also, wenn Sie über die Nachforschungen anstellen wollen, da gibt es eine ganze Ausschnittmappe oben in der Abteilung ›Geschichte
des Südens‹. Das erspart es Ihnen, die Zeitungen durchzugehen.«
»Großartig. Vielen Dank.« Warum hatte ich nicht selbst daran gedacht?
Die junge Frau nickte. »Ich glaube, sie wollen die ganzen Sachen irgendwann mal kopieren, aber im Moment liegen sie noch in
irgendwelchen Mappen in Aktenschränken.«
»Vielen Dank.« Ich steckte die beiden fotokopierten Artikel in meine Handtasche und ging die Treppe hinauf.
Die Abteilung »Geschichte des Südens« ist eine wahre Fundgrube für Wissensdurstige. Zu Teilen von einer wohlhabenden Birminghamer
Familie finanziert und über mehr als vierzig Jahre mit Inbrunst aufgebaut und verwaltet von einer nüchternen |204| Bibliothekarin mit dem treffenden Namen Miss Boxx, ist sie wirklich eine Schatzkammer für historisch Interessierte. Die genealogische
Abteilung allein zieht Heerscharen von Leuten an. Auch an diesem Tag verhielt es sich, obwohl Weihnachten so dicht vor der
Tür stand, nicht anders.
Ich bat den jungen Mann am Tresen um die Betty-Bedsole-Ausschnitte und hatte sie etwa eine Minute später in Händen. »Sie wäre
stolz auf Sie«, sagte ich ihm und zeigte auf ein Porträt von Miss Boxx, auf dem sie auf die Leute herabblickte, die jetzt
von ihrem Lebenswerk profitierten. »Wage es, irgend etwas durcheinanderzubringen, und du bist verloren«, schien sie zu sagen.
Er lächelte, aufrichtig erfreut.
Ich fand einen Platz an einem Tisch und öffnete die Mappe. Die Ausschnitte waren vollkommen ungeordnet, was aber nichts machte.
Ich wußte ohnehin nicht genau, wonach ich suchte.
Der erste stammte aus den fünfziger Jahren: ein Foto von Betty und ihrem Vater, Amos, auf dem Kamelienball. Es waren zwei
weitere Debütantinnen mit ihren Vätern auf dem Bild, aber man sah nur die Bedsoles. Die achtzehnjährige Betty, die fast so
groß war wie ihr Vater und ein trägerloses weißes Schlauchkleid trug, flirtete mit der Kamera. Oder dem Fotografen. Mit dem
sachte zur Seite geneigten Kopf und den leicht geöffneten Lippen wirkte sie weitaus erfahrener als die beiden anderen Mädchen
in ihren Rüschenkleidern, die pflichtschuldig »Cheese« sagten. Amos Bedsole, ein gutaussehender Mann in den Vierzigern, sah
lächelnd auf seine Tochter statt in die Kamera. Seine Freude an ihr war so offensichtlich, daß mir die Tränen in die Augen
traten.
Der nächste Ausschnitt handelte von ihrer Eheschließung mit Samuel Armistead. Unter dem Foto des Hochzeitspaares, das beim
Herabschreiten der Treppe der Independent Presbyterian Church aufgenommen worden war, stand in großen |205| Lettern »MISS AMERICA HEIRATET«. Betty war eine traditionelle Braut, mit Rüschen und Schleifen und aufgetürmtem Haar. Ich
überflog die Geschichte. Bekannter Filmproduzent. Zehn Brautjungfern. Blaugetupfter Schweizer Batist. Festliches Hochzeitsmahl.
Birmingham Country Club.
Der Artikel war so lang, daß er auf einer anderen Seite weiterging. Ich entfernte die Büroklammer und stieß auf Fotos, die
beim Abendessen entstanden
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