Oase der Versuchung
du dich jetzt ins Cockpit, und ich hole die Sachen.“
Er machte einen Schritt auf sie zu und drängte sie gegen den Helikopter. „Aber das würde ja ewig dauern. Ich habe die Sachen eingeladen und weiß, wo sie sind. In ein paar Minuten habe ich alles – vorausgesetzt du schaffst es, mal so lange still zu sein.“
„Ich bin unverletzt, warm angezogen und deine Ärztin. Und du bist ein Fachmann für dieses ruinierte Fluggerät und das Überleben in der Wüste. Siehst du? Darauf beruht das Gleichgewicht zwischen uns. Also laden wir die Sachen gemeinsam aus!“
Hassan betrachtete ihren Mund und wünschte offensichtlich nichts sehnlicher, als sie zu küssen.
Er beugte sich zu ihr, wie um sie in seinen Bann zu ziehen. Allmählich spürte sie, wie ihre Abwehr erlahmte: Seine Nähe wurde ihr vertraut und selbstverständlich.
„Du bist ein Kontrollfreak, stimmt’s?“, fragte er.
Lächelnd zuckte sie die Schultern. „Das merkt nur, wer selbst einer ist.“
Als er lachte, pochte ihr Herz heftig. „So ist es.“
Trotz der Gefahr, in der sie schwebten, und trotz des gespenstischen Notlichts aus dem Cockpit, das Hassans Gesicht blass und unwirklich erscheinen ließ, konnte sich Talia nicht daran erinnern, sich jemals glücklicher und stärker gefühlt zu haben.
Wie hatte er es ausgedrückt?
Ich wüsste nicht, mit wem ich lieber in Lebensgefahr wäre.
Genau so empfand sie auch. Auch wenn sie es nicht zugegeben hatte – und nicht zugeben würde. Trotzdem stimmte es. Sie freute sich auf die anstrengenden Tage, die vor ihnen lagen. Herausforderungen hatte sie immer schon geliebt, und mit Hassan an ihrer Seite war nichts unmöglich. All das … machte ihr Spaß?
Was soll das! schalt sie sich und schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken loszuwerden. Was soll in dieser Lage Spaß machen?
Aber auch ohne dass sie es erklären konnte, blieb es bei ihrer Freude.
Sie sah zu, wie er den letzten Metallträger zur Seite bog und damit den Weg ins Heck freimachte. Dann trat er einen Schritt zurück und gab ihr ein Zeichen. „Es ist so weit, mein hartnäckiger Tautropfen.“
Ihr Herz machte einen Sprung. Nicht einmal ihre Eltern hatten ihr je einen so schönen und passenden Kosenamen gegeben. Einfach kreativ und … süß!
An so etwas kann eine Frau sich gewöhnen, dachte sie. Aber es darf nicht sein! schalt sie sich abermals. „Soll das eine Retourkutsche sein? Dafür, dass ich dich schon ein paarmal ziemlich … beleidigt habe?“, fragte sie über die Schulter, als sie vor Hassan den vollgestopften Laderaum betrat – oder zumindest das, was davon übrig geblieben war.
Sie kniete sich auf den Boden und wartete auf Hassans Anweisungen.
Ebenfalls auf den Knien, begann er gezielt Sachen herauszusuchen. Ohne Zweifel, er wusste tatsächlich, wo sich die einzelnen Dinge befanden. Offenbar war Prinz Hassan ein Mann der Tat, der bei seinen Expeditionen auch über Details bestens informiert war.
Nachdem er eine gefütterte Jacke angezogen hatte, antwortete er auf Talias Frage: „Auf die Gefahr hin, dass du jetzt damit aufhörst, was ich sehr schade finden würde … Aus deinem Mund sind das keine Beleidigungen. Sie wirken auf mich wie Zärtlichkeiten …“
Bei dem Gedanken daran, dass ihre Worte auf ihn eine solche Wirkung hatten, stockte ihr der Atem. Sie tat, als ob sie husten müsste, und stieß hervor: „Wie das? Stimmt, du hast ja selbst gesagt, dass Beleidigungen dir nichts ausmachen.“
„Das weißt du noch?“, fragte er erfreut. „ Aih , ich gehöre nicht zu den reizbaren Menschen. Außerdem sind die meisten Beleidigungen sowieso entweder Lügen oder Übertreibungen. Oft steckt nur der Wunsch dahinter, eine Antwort zu erzwingen. In den meisten Fällen prallt das an mir ab.“
Talia spielte die Überraschte. „Soll das heißen, es gibt tatsächlich Menschen, die es wagen, dich zu beleidigen?“
„Oh, ich habe einen älteren Bruder, der es liebt, andere zu provozieren. Und drei jüngere. Daher bin ich an verbalen Schlagabtausch gewöhnt. – Aber du könntest mich nur durch Misstrauen beleidigen“, sagte er. Dabei sah er sie so ernst an, dass ihr das Herz bis zum Halse klopfte und sie auf eine spöttische Erwiderung verzichtete.
Instinktiv wusste sie, dass er die Wahrheit sagte. Vielleicht war dies sein einzig verletzlicher Punkt …
Einerseits hielt sie sich vor Augen, dass Todds Leidensweg schwerer wog als alles, was Hassan für sie getan hatte. Dass es Hassan nur um die Informationen ging. Und dass
Weitere Kostenlose Bücher