Oase der Versuchung
Versprechen.
Dennoch gab sich Talia keinen falschen Hoffnungen hin. Zwischen ihnen stand mehr als nur ein hoher Berge, lag mehr als ein weiter Ozean. Sie kam aus einem anderen Kulturkreis, und Hassan als Prinz war seinem Volk verpflichtet. Todd saß noch immer im Gefängnis. Was würde seine Freilassung für Hassan und seine Familie bedeuten? Selbst wenn der Thron dadurch nicht in Gefahr geriete, wie würde es weitergehen? War Hassan, genau wie die Frau, die Todd liebte, für eine arrangierte Ehe vorgesehen?
Nicht dass sie jemals daran gedacht hätte, ihn zu heiraten …
Sie beobachtete, wie er aus Palmblättern ein Obstkörbchen für sie flocht. Dann sagte sie: „Du weißt: Als ich hergekommen bin, habe ich die Macht der Aal Shalaans für unverdient und die Familie bestenfalls für nutzlos gehalten.“
Hassan unterbrach das Flechten des zweiten Körbchens und fragte: „Und wie hast du über mich gedacht?“
Talia fand, dass sie ihm Ehrlichkeit schuldete – auch wenn die Wahrheit nicht gerade gut klang. „Ich hatte schon von deinem Ruhm gehört und habe dich daher für den Schlimmsten von allen gehalten. Derjenige, der den Helden spielt und sich mit fremden Federn schmückt – nämlich der vielen Namenlosen, die für ihn kämpfen.“
„Und inzwischen? Was denkst du jetzt?“
Vorwurfsvoll sah sie ihn an. „Das weißt du doch!“
„Sag es mir trotzdem!“
Er wollte es unbedingt hören! Als wäre er auf ihre Meinung angewiesen …
„Du kennst doch selbst deine Vorzüge. Und außerdem hast du ein ganzes Königreich, das dich verehrt.“
Langsam setzte er sich auf. „Um Verehrung geht es mir nicht. Ich tue nichts, nur damit man mir dankt oder mich bewundert … Natürlich spielt das auch eine Rolle, aber nicht die Hauptrolle.“
„So wie ich das sehe, wirst du überall sehr geschätzt. Und nicht nur, weil du zur königlichen Familie gehörst, sondern wegen deiner Persönlichkeit und deiner Verdienste.“
„Ich tue nur meine Pflicht“, wehrte er bescheiden ab. „Wenn ich meine Sache gut mache, ist es eine Selbstverständlichkeit. Wenn nicht, würde man es mir verübeln.“
„Ich habe gesehen, wie unbehaglich du dich gestern Abend gefühlt hast, als von deinen Erfolgen die Rede war …“
„Das heißt aber nicht, dass ich ohne Anerkennung auskomme.“
Talia hielt den Atem an. „Du legst Wert auf meine, stimmt’s?“, fragte sie.
Ernst nickte er. „Ja. Ich muss wissen, dass du hinter mir stehst.“
„Hm. Hast du in den letzten beiden Wochen nichts davon bemerkt?“
Er erhob sich so weit, dass er vor ihr kniete. „Ich muss es hören, ya nadda jannati . Sag es mir mit deinen unnachahmlichen Worten. Du bist die Einzige, auf deren Meinung ich wirklich Wert lege.“
So viel bedeutete sie ihm! Talia holte tief Luft. „Vom ersten Moment an musste ich mein Vorurteil überdenken. Alles, was du gesagt und getan hast, hat mich eines Besseren belehrt. Ich habe dich als ausdauernden, einfallsreichen und mutigen Menschen kennengelernt. Du nimmst deine Pflicht, die Schwachen zu beschützen, ernst. Dass es so etwas heute noch gibt, hätte ich nie gedacht. Du bist einzigartig, Prinz Hassan Aal Shalaan.“
Lange sah er sie nur an. Erst als sie glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, nahm er ihre Hand und schmiegte sein Gesicht daran. Dann flüsterte er: „Danke für deine Anerkennung. Ich werde dich nie enttäuschen.“
Von diesem Moment an waren die Gefühle zwischen ihnen beinahe greifbar. Wie einer stillen Übereinkunft folgend, beendeten sie ihr Mahl, ohne viel zu reden. Talia war dankbar für das Schweigen, das es ihr ermöglichte, ihre Gedanken zu ordnen.
Vielleicht gab es Aal Shalaans, die etwas mit Todds Inhaftierung zu tun hatten; aber sie konnte unmöglich die ganze Familie dafür verantwortlich machen. Noch wusste sie nicht, wer von Hassans oder Ghadas Familie Schuld hatte.
Doch mittlerweile fand sie nicht mehr, dass die Aal Shalaans gestürzt werden sollten. Hassan hatte ihr ein zu gutes Beispiel gegeben. Insgeheim fasste sie einen Entschluss.
Als es kühler wurde, ritten sie im Schein des Vollmonds zu ihrer Hütte zurück, wo sie nacheinander ein Bad nahmen.
Als Hassan danach in den Wohnbereich kam, sagte sie: „Als ich allein in der Wüste war, habe ich mir etwas vorgenommen, falls ich doch überlebe.“
Erschrocken runzelte er die Stirn. „Warum sagst du ‚doch‘? So etwas darfst du nicht einmal denken!“
„Bitte, ich muss es dir erzählen“, sagte sie und wartete,
Weitere Kostenlose Bücher