Ob das wohl gutgeht...
durchgingen, obwohl er offensichtlich sich die ganze Zeit Mühe gegeben hatte, sie nicht zu verlieren. Er stelzte auf die Tür zu. »Ich werde Sie hier wegkriegen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
»Das dürfte es sein, wenn Sie dieses Ding nicht bald entfernen
lassen.«
»Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten.«
»Sie haben Ihre Zeitungen vergessen«, sagte Fred und sammelte sie vom Boden auf. »Und wenn Sie der reichste Mann auf dem Friedhof werden wollen, kaufen Sie Porto-Rio-Minen-Aktien. Aber zahlen Sie nicht mehr dafür als sechs Schilling und siebeneinhalb Pence...«
»Auf Wiedersehen«, sagte Dr. Murphy.
»Liebe und Friede«, antwortete Fred.
Höflich wartete er an der Tür, bis sie in ihren standesgemäßen Autos abgefahren waren und nur noch das purpurne Taxi verlassen am Bordstein stand.
Ich holte meine Tasche aus dem Sprechzimmer, da ich mit den Visiten an der Reihe war, und ging nochmals zurück ins Wohnzimmer, um mich von Fred und Mrs. Glossop zu verabschieden. Ich fand letztere auf dem Kopfe stehend und dabei ihre überdimensionalen rosa Schlüpfer enthüllend. Ich wäre sicherlich bereit gewesen, Dr. Murphys Ansicht über Freds Moral zuzustimmen, hätte ich nicht gewußt, daß er ihr bei den Yoga-Übungen half.
Als ich schließlich zu Hause ankam, fand ich eine Notiz vor, daß sich mein Essen im Ofen befinde und der Park hinter dem Haus heute zum erstenmal zugänglich sei, so daß ich den Nachmittag dort verbringen könne. Das Postscriptum enthielt Küsse von Sylvia und die Mitteilung, der Liegestuhl sei im Kinderwagenschrank. Ich verbrannte mir die Finger am Makkaroniauflauf und freute mich darauf, daß ich mich während des restlichen Nachmittags an der frischen Luft etwas in der Psychiatrie weiterbilden konnte.
Tatsächlich befand sich der Liegestuhl im Kinderwagenschrank. Aber auch die Teppichkehrmaschine, drei Paar Stiefel mit angeschraubten Schlittschuhen, ein mannshoher Stapel von Exemplaren der Medizinischen Zeitschrift, ein Faltbett nebst Matratze, ein Hockeystock, eine Gitarre, ein schwarzer Hut, unser bestes Teegeschirr und tausend andere Dinge, für die einfach nirgends sonst Platz war, waren dort untergebracht.
Als ich schließlich nach langer Zeit den Liegestuhl herausgeholt und den Schrank wieder eingeräumt hatte, war ich nicht nur müde, sondern auch wütend. Meine Anstrengungen waren damit aber noch keineswegs beendet. Da wir keinen Hinterausgang besaßen, mußte ich mit dem Stuhl zur Vordertür hinaus, die Häuserreihe der Kirchpark-Anlage vorbei bis zum Ende und dann den Gartenweg entlang bis in den Park hinein. Es war dort wie am Strand von Blackpool am Bankfeiertag. Mit einer Ausnahme: es gab keine Männer. Mütter und Kinder mit Kinderwagen bevölkerten den Rasen. Sie hatten ihr Strickzeug und Tee mitgenommen. Es erinnerte mich an eine Szene aus dem »Raub der Sabinerinnen«, als sie beobachteten, wie ich mir unter ihnen einen Weg bahnte, zwischen den Gruppen von Klatschtanten aus den Wohnblöcken hindurch, bis ich endlich an der Rückseite unseres Hauses angelangt war. Ich hatte nicht daran gedacht, daß die Männer wochentags beschäftigt waren. Ich sah mich bereits als Nichtsnutz, Arbeitsscheuer, Parasit der Steuerzahler gebrandmarkt. Vielleicht würden sie aber denken, ich sei frisch operiert. Ich stellte müde meinen Stuhl auf und versuchte, recht angestrengt auszusehen. Als ich mich unter den anklagenden Blicken niedergesetzt hatte, mußte ich entdecken, daß ich mein Buch zu Hause liegengelassen hatte. Ich blickte vergeblich zur Rückfront meines Hauses. Mein Haus, in das ich lächerlicherweise von hier aus nicht gelangen konnte, es sei denn, ich legte nochmals den ganzen Weg zurück. Ich war nicht darauf vorbereitet, hier zu sitzen und nichts zu tun. Also ging ich. Als ich wiederkam, spielte ein kleiner Junge Verstecken hinter meinem Stuhl. Ich tätschelte ihm das Köpfchen und bat ihn, weiterzugehen. Er antwortete mir daraufhin gleichgültig: »Hau du ab!«
Ich wandte mich nun dem Buch >Der Platz der Psychiatrie in der modernen Medizin< zu, ich las, daß »Psychiatrie heute ihre Wurzeln in der Erblehre, in der Biochemie, in der Endokrinologie sowie auch in Anatomie und Physiologie hat; sie erfordert darüber hinaus Kenntnisse in...« Ein großer roter Ball landete auf meinem Schoß, gefolgt von einem Kind auf allen vieren. Es fragte: »Ta?« Ich fletschte lächelnd meine Zähne und rollte ihm den Ball zu, damit es weiterkriechen konnte.
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