Obduktion
den ganzen Kirchenglauben und die päpstliche Unfehlbarkeit infrage stellen.
»Na gut«, sagte Sana plötzlich. »Wenn wir es tun wollen, dann lass uns loslegen und es hinter uns bringen. Was sitzen wir hier noch rum?«
»Das sagte ich doch bereits. Wir sind zu früh dran. Der letzte Kontrollgang in der Basilika ist um acht Uhr. Ich will ihnen genug Zeit geben, den Rundgang zu beenden und alles gut abzuschließen.«
Sana sah auf ihre Uhr. Es war fast halb neun. »Was machen wir, wenn es ein Problem gibt? Wenn die Wachmänner zum Beispiel entdecken, dass irgendjemand die Pietà geklaut hat?«
Shawn drehte sich zu ihr hin und betrachtete das Profil seiner Frau. Er hoffte, dass sie nur einen schlechten Scherz gemacht hatte, aber das schien nicht der Fall zu sein. Sie blickte aus dem Fenster des Wagens wie eine ängstliche Beute, die kurz davor war, gefressen zu werden. »Meinst du das ernst?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Sana, »ich bin nervös und erschöpft. Immerhin haben wir heute schon die lange Reise von Ägypten hierher hinter uns. Für dich mag das ja einfach sein, für mich aber nicht.«
»Du kannst ruhig nervös sein. Das ist schon okay. Verdammt, ich bin ja auch nervös. Es ist normal, ein wenig nervös zu sein.«
»Was, wenn ich Platzangst bekomme?« »Ich werde schon dafür sorgen, dass das nicht passiert. Du musst nicht in den Tunnel. Er ist wahrscheinlich sowieso zu eng für zwei.«
Sana betrachtete ihren Mann im Halbdunkel des Wagens. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos tanzten auf seinem Gesicht. »Bist du sicher, dass du mich im Tunnel nicht brauchst?«
»Wenn wir erst mal dort unten sind und du nicht in den Tunnel willst, sehen wir weiter. Lass uns positiv denken. Kann ich auf dich zählen?«
»Ich denke schon«, sagte Sana mit wenig Überzeugung.
Um Viertel vor neun ließ Shawn den Motor an und rollte vom Bordstein. Die Scheibenwischer kamen kaum gegen den heftigen Regen an, und er hatte große Mühe, überhaupt etwas zu erkennen. Der Verkehr, der zum Platz führte, überholte sie in halsbrecherischem Tempo. Als sie den Petersplatz erreichten und an den Berninisäulen in Richtung Arco delle Campane vorbeifuhren, sagte Shawn: »Sollte die Schweizergarde dich nach deinem Ausweis fragen, lass mich das bitte machen.« Die zwei braunen Wärterhäuschen ragten vor ihnen aus dem Dunst. Die Wächter trugen dunkle Regencapes über ihren Uniformen. Sie sahen nicht gerade begeistert aus, dass sie in einer solch regnerischen Nacht Dienst hatten. Als Shawn auf gleicher Höhe mit ihnen war, hielt er an und kurbelte das Fenster herunter. Ein paar Regentropfen flogen durch den schmalen Spalt und tanzten in der Luft.
»Guten Abend, meine Herren«, sagte Shawn höflich und versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Wie schon erwartet, hatte es zwischendurch einen Schichtwechsel gegeben. Diesmal waren es zwei andere Wächter.
Genau wie am Nachmittag nahm der eine von ihnen wortlos den Ausweis, hielt ihn unter seine Taschenlampe und verglich das Foto mit Shawns Gesicht. Als er ihn zurückgab, fragte er: »Wohin wollen Sie?«
»Zur Nekropole«, sagte Shawn und reichte ihm seine Zutrittsgenehmigung. »Wir haben ein paar kleine Wartungsarbeiten durchzuführen.«
Der Gardist studierte die Genehmigung einen Moment lang, gab auch sie zurück und sagte: »Öffnen Sie bitte den Kofferraum.« Er verschwand hinter dem Auto.
Sana fühlte sich unwohl, als der andere Wächter ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtete. Zuvor hatte er mit einem langen Stock die Unterseite des Wagens nach Bomben abgesucht.
Shawn hörte den Kofferraum zuklappen, und kurz darauf stand der Mann wieder an seinem Fenster.
»Wofür sind die Werkzeuge?«, fragte er.
»Für unsere Wartungsarbeiten«, sagte Shawn.
»Werden Sie den Eingang durch das Ufficio Scavi nehmen?«
»Ja, das das hatten wir vor.«
»Soll ich den Sicherheitsdienst rufen, damit er Ihnen öffnet?«
»Das wird nicht nötig sein. Wir haben die Schlüssel.«
»Gut«, sagte der Wachmann. »Einen Moment bitte.« Er ging in das kleine Kabuff zurück, um einen Parkschein zu holen. Einen Moment später stand er hinter dem Auto und notierte das Kennzeichen, ehe er zum Fenster zurückkam. Er legte den Schein auf die Ablage über dem Armaturenbrett. »Fahren Sie geradeaus zur Piazza Protomartiri und lassen Sie das Ticket von außen gut sichtbar hinter der Scheibe liegen.« Er salutierte.
»Puh«, seufzte Sana, als sie weiterfuhren. »Ich
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