Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
Vom Netzwerk:
neigt sich über den Graben. Schon seit Jahren gehe ich bei diesem Baum immer auf die gleiche Weise vor: Ich lege zwei Teile einer Leiter nebeneinander über den Graben und befestige quer auf den Leiterteilen einen kurzen Balken, in den ich ein paar lange Nägel geschlagen habe, damit er nicht verrutscht (die beiden Grabenränder sind nicht ganz auf gleicher Höhe). Anschließend lege ich eine Holzpalette so auf die Leitern, daß sie mit dem einen Ende auf dem Balken und deshalb ungefähr waagerecht liegt. Wenn ich dann die Kiste auf die Palette stelle, reiche ich an die Weidenzweige heran. Ich fange mit der schiefen Weide an; wenn ich die gekappt habe, sind die restlichen sieben nicht mehr so schlimm. Der messerscharfe Sägestahl gleitet geschmeidig durch das junge, zarte Holz. Meine Arme und Schultern sind nicht ganz so geschmeidig nach den sechs Bäumen von gestern. Als ich ein paar Weiden geschafft habe, ruhe ich mich aus. Dabei beobachte ich die Schafe, die auf dem Stück Land bei der Bosman-Mühle herumlaufen.
    Dreiundzwanzig ist doch eigentlich eine komische Zahl, zwanzig würde mir besser gefallen.
13
    Sie waren ein Weilchen beschäftigt, die Männer, die das Bett geliefert haben. Dieses Bett gibt es nicht als Bausatz. Durch die Vordertür zu kommen war kein Problem; die Drehung vom Flur ins Wohnzimmer erwies sich dann als ziemlich schwierig. Mein altes Bett habe ich gleich nach dem Melken weggeschafft. Die Matratze habe ich in Henks Zimmer gestellt, den hölzernen Bettkasten auseinandergenommen und die Teile auf den Scheiterhaufen neben dem Mist geworfen. Er wird allmählich ganz schön groß, vielleicht sollte ich ihn zu Silvester anzünden, wenn der Wind günstig steht und es nicht regnet. Die Möbelmänner hinterließen Schlammspuren im Wohn- und Schlafzimmer, und sie wollten keinen Kaffee, weil sie noch weitere Betten auszuliefern hatten. Es war noch lange kalt im Haus, weil niemand, auch ich nicht, daran gedacht hatte, während des Gemurkses im Flur die Vordertür zu schließen. Von Osten her weht ein kalter Wind, der das Haus schräg von vorn trifft. Heute nacht dürfte es kräftig frieren.
    Das Bett hat einen schwedischen oder dänischen Namen, der mir entfallen ist, irgend etwas mit ä. Es ist blau-weiß kariert und sehr breit; egal, wie ich mich lege, meine Füße ragen nicht über den Rand. Während ich das Bett mache, höre ich Vater dauernd nach mir rufen. Er ist fürchterlich neugierig. Erst bekomme ich einen Schreck, weil ich einen Augenblick glaube, ich hätte den Schlüssel abgezogen und vergessen, wo ich ihn gelassen habe, dann fällt mir wieder ein, daß er im Schloß steckt. Als ich eins der Kissen bezogen und auf seinen Platz gelegt habe, setze ich mich in die Küche. Wenn ich auf Mutters Stuhl sitze und mich über den Tisch beuge, kann ich durch die offenstehenden Türen insSchlafzimmer schauen. Zwei Kissen. Was soll ich mit zwei Kissen? Andererseits: Ein Kissen auf dem großen Bett, das sieht komisch aus, das bringt das Ganze irgendwie aus dem Gleichgewicht. Und sie waren nicht billig. Als ich die Titelseite der Zeitung gelesen und eine Tasse Kaffee getrunken habe, gehe ich wieder ins Schlafzimmer, um das zweite Kissen zu beziehen.

    Am Nachmittag kommt der kleine Lastwagen des Viehhändlers auf den Hof gefahren. Der Viehhändler ist ein eigenartiger Mann, ungeheuer einsilbig. Er trägt immer einen ordentlichen Kittel und eine Mütze, die er abnimmt, wenn er ins Haus kommt. Wenn er mich draußen oder im Stall antrifft, behält er die Mütze auf. Jedesmal macht er eine Bemerkung übers Wetter und schweigt dann. Ich muß sagen, ob ich etwas für ihn habe oder nicht. Wenn ich nichts für ihn habe, geht er gleich wieder, ohne ein weiteres Wort. Noch nie – und wir kennen uns nun schon seit mehr als drei Jahrzehnten – hat er bei uns am Küchentisch gesessen. Er kommt durch den Hintereingang und zieht seine Klompen vor der Flurtür aus; wenn er dann in der Küche auf dem Linoleumboden steht, schiebt er den einen Fuß auf den anderen, und seine Zehen zappeln in den dicken Ziegenwollsocken. Heute stehen wir mitten auf dem Hof, und ich habe etwas für ihn. Ein paar Schafe.
    »Sind sie gedeckt?« fragt er.
    »Ja. Ich hab den Bock vor ein paar Tagen weggebracht.«
    »Drei?«
    »Drei. Was bringt ein Schaf im Augenblick?«
    »Wenn man Glück hat, hundertzwanzig. Aber eher hundert.«
    »Das ist ja nichts.«
    »Stimmt, das ist nichts. Hast du sie schon hier?«
    »Nein, sie sind hinten auf der

Weitere Kostenlose Bücher