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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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Schweizer Bergwelt mit dem Glacier-Express. Einfach klasse, dass sie mit 84 noch so viel unternimmt.
    Wir machen weiter mit unserer Computer-Diashow. Und schauen jetzt immer gleich, ob und wann Oma dieses Highlight auf ihrer Reise besichtigen würde.
    Am nächsten Morgen sitzen wir wieder in Freiburg am Frühstückstisch. Es ist Sonntag. Und es sind noch drei Tage bis zur OP. Der Besuch gestern bei Oma war sehr schön. Nach dem gemeinsamen Kaffeetrinken haben wir uns auf den Weg zum Bahnhof gemacht. Auf meinen Wunsch hin sind wir noch kurz über die Königsstraße geschlendert. Meinen Kindheitserinnerungen nachhängen.
    Und wir haben uns mit Oma bereits zu Weihnachten verabredet. Ich schenke mir Tee nach und schüttele den Kopf.
    »Das sind nicht einmal zwei Monate bis zum 26. Dezember. Bis dahin bin ich schon zweimal operiert. Sehr komisch.«
    »Ja, aber ich finde es gut. Trotz meiner Skepsis am Anfang bin ich jetzt froh, dass es so schnell kommt. Was steht heute auf dem Programm?«, fragt Tino.
    »Nichts Besonderes. Ich würde gerne ein bisschen Radfahren. Vielleicht finden wir Mitfahrer?«
    Gesagt, getan: Bernd und Oli kommen mit. Wir haben uns auf 12 Uhr verabredet.
    Die Vorbereitungen zum Radfahren laufen bei mir immer gleich ab: zuerst suche ich alle Radklamotten raus und lege sie aufs Bett. Dann ziehe ich mich komplett aus, und nach dem Zwiebelschalenprinzip wieder an. Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer komme ich an dem großen Spiegel im Flur vorbei. Heute bleibe ich kurz nackt davor stehen.
    Wie es wohl in Zukunft sein wird, nach den Operationen: einfach nur traurig oder gar nicht schlimm? Ist es vielleicht sogar unerträglich? Werde ich die Blicke vermeiden? Irgendetwas in meinem Kopf sagt: Schau es dir jetzt besser gar nicht so genau an, dann ist es nachher nicht so schlimm. Ich weiß, dass das keine Lösung ist. Egal, wie es aussehen wird, ich werde damit klarkommen müssen. Sonst wird das Leben zur Hölle. Aber soll ich das Bild hier in den Spiegeln wirklich einfangen? Hilft mir das? Oder macht es das Ganze nur schlimmer?
    Montagmorgen. Jetzt ist es nicht mehr lange. Der letzte Tag in Freiburg sozusagen. Wir beenden das Frühstück, und Tino verschwindet im Arbeitszimmer. Ich räume in der Wohnung herum. Die letzten Urlaubsspuren beseitigen. Nur die Bügelwäsche türmt sich noch. Obendrauf liegen meine neuen Nachthemden, extra gekauft für den kommenden Anlass. Die kann ich gleich wegpacken. Meine große Tasche habe ich nach dem Urlaub gar nicht mehr auf den Speicher geräumt. Immer wenn mir etwas in die Hände fällt, was mit ins Krankenhaus muss, wandert es direkt in die Tasche.
    »Da ist Post von der Krankenkasse!«
    Inzwischen war Tino unten und hat den Briefkasten geleert. Jetzt steht er aufgeregt im Gang.
    Eindeutig. Okay, schauen wir mal, ob es wie die letzten Male ist. Da haben sie sich immer der Beihilfe angeschlossen.
    Ich reiße das Kuvert auf, und Tino stellt sich hinter mich, um mir über die Schulter zu schauen: »Und?«
    »Bingo! Sie bezahlen auch. Das ist doch mal eine gute Nachricht!«

    Der weitere Tag vergeht mit allgemeinen Vorbereitungen. Für heute hat die Frau vom Internetversand das Paket mit den Kompressionshosen angekündigt. Plan C wäre gewesen, die Hosen direkt in die Klinik zu schicken. Die Dame war sich aber sicher, dass es heute klappt. Der Tag verstreicht, ohne dass etwas passiert. Allerdings kommt die Sendung mit Hermes, und der Bote, ein schmächtiger alter Mann, der immer sehr freundlich ist, kommt meistens erst richtig spätabends.
    So langsam wird das alles zäh wie Kaugummi. Mir wäre es lieber, wir könnten uns schon auf den Weg nach München machen. Klar, ich muss noch vollends packen, aber das ist kein tagfüllendes Programm. Immerhin kann ich noch Krankengymnastik machen, denn die ist gerätegestützt, da muss ich einfach nur hingehen und mein Programm abspulen. Seit ich weiß, dass die Operationen warten, versuche ich Brustmuskulatur aufzubauen, damit es den Chirurgen leichterfällt, mein Drüsengewebe entfernen zu können. Wenn mehr Muskulatur vorhanden ist, ist die Unterscheidung zwischen dem, was weg muss, und dem, was drin bleiben soll, einfacher. Also mache ich mich am Nachmittag auf den Weg in die KG.
    Am Abend kommt tatsächlich die Sendung mit den Kompressionshosen. Der Bote klingelt deutlich nach neun Uhr und sieht mal wieder so abgemagert aus, dass ich ihm am liebsten etwas von unserem Abendessen anbieten würde. Ich packe aus und schaue mir die

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