Oben ohne
Gebot über 17 Euro ab, als das Telefon klingelt. Es ist Conny, die auch Lehrerin ist.
»Hi, Evelyn, ich bin gerade auf dem Weg in die Schule. Hast du heute Mittag Lust, gemeinsam mittagessen zu gehen?«
»Ja klar, warum nicht?«
»Um halb zwei in Omas Küche?«
»Ist gekauft.«
»Bis dann.«
Schön zu merken, wie viele auch im Alltag immer wieder an mich denken. Beschwingt von diesem Anruf beschließe ich jetzt, direkt bei der Beihilfe anzurufen. Ein Blick auf den Bildschirm zeigt mir, dass die Auktion noch über eine Stunde laufen wird. Außerdem ist der Andrang für das Fußbad auch nicht so wahnsinnig groß.
Die zuständige Sachbearbeiterin kennt mich inzwischen. Sie ist nett und gibt sich immer Mühe mit meinen Anfragen. Heute erwische ich sie direkt. Leider kann sie mir noch nichts Genaues sagen. Aber ihr liege das Gutachten vom Gesundheitsamt inzwischen vor, sagt sie mir. Das ist gut. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis die Kostenfrage geklärt ist. Erleichtert lege ich auf. Ich habe noch jede Menge Zeit, bis ich wegen des Fußbads in Aktion treten will. Keine neuen Mitbieter am Start. Ich gehe zum Fenster und werfe einen Blick in den Hinterhof. Die große Tanne steht dort, grün wie im Sommer. Aber die vielen Obstbäume haben ihre Blätter schon halb abgeworfen. Die Natur bereitet sich ganz eindeutig auf den Winter vor. Das passt zu meiner Stimmung.
»Sag mal, habt ihr eigentlich Rückmeldungen auf Tinos Mail bekommen?«
Ich sitze mit Conny beim Mittagessen in Omas Küche. Tino hat vor einigen Tagen eine Rundmail an unsere Freunde geschrieben, in der er meine genauen OP-Termine durchgegeben hat und dazu aufrief, dass man mich in München besuchen solle.
»Keine Ahnung, ich habe ihn noch gar nicht gefragt deshalb.«
»Ich habe mit Klaus für die zweite OP gleich ein Hotel gebucht. Ich wollte schon lange mal wieder nach München. Von daher machen wir einfach einen Wochenendausflug. Wir oder ich können dann jederzeit bei dir sein.«
Das ist ja schön. Ich habe mich um gar nichts gekümmert. Tino managt das richtig gut. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, einfach eine Rundmail zu schreiben. Ich habe keine Ahnung, wie es mir gehen wird, ob ich überhaupt Besuch will, und so weiter. Aber er hat schon recht. Es ist sicherlich kein Fehler, wenn immer jemand in der Stadt ist, den ich gut kenne. Dann kann er auch mal nach Hause fahren. Er muss ja auch noch arbeiten.
»Habt ihr denn genug Leute?«
»Ja, ich denke schon. Beim ersten Mal kommen auf jeden Fall meine Geschwister und Anna. Beim zweiten Mal kommen Elke und Uli. Und dann eben noch ihr beide.«
»Ach schön, da ist dann immer was los.«
Eine Exmitpatientin aus Schönau hat sich angemeldet, Lorenz aus Schönau wird auch vorbeikommen. Ich habe fast ein bisschen Bedenken, dass mir das zu viel wird.
»Du sagst einfach, was du brauchst. Wenn du keinen Besuch willst, ist das auch okay. Als Lehrer können wir leider nur am Wochenende.«
»Hier ist die Post. Da ist ein Brief vom Landesamt für dich dabei.«
Tino kommt die Treppe hoch und wedelt mit dem Schreiben. Es sind noch fünf Tage bis zur OP. Ich reiße ihm das Ding aus der Hand.
»Oh, oh, jetzt wird es spannend.«
Ich versuche ruhig zu bleiben und den Briefumschlag zu öffnen, ohne gleich alles zu zerreißen. Den ersten Teil überfliege ich. Dann wird’s interessant: »Sehr geehrte Frau Heeg, unter Bezugnahme auf Ihren o. g. Antrag dürfen wir Ihnen aufgrund der am 4. November 2005 hier eingegangenen gutachtlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald mitteilen« – Mann, kommt doch mal zum Punkt, ich weiß selber, was ich beantragt habe –, »dass die Ihnen entstehenden Aufwendungen aus dem Anlass der beabsichtigten stationären Behandlung in der Frauenklinik Dr. Geisenhofer am Englischen Garten in 80538 München zur Durchführung einer sogen. Prophylaktischen beidseitigen Mastektomie mit nachfolgendem Brustaufbau gem. § 6 Abs. 1 Nr. 6 und 6 a BVO dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannt werden bzw. beihilfefähig sind.«
Beihilfefähig – habe ich richtig gelesen? Hey, da steht, dass sie die Hälfte der Kosten übernehmen. Wir liegen uns in den Armen. Zumindest mal fünfzig Prozent sind gedeckt. Bevor ich mich zu früh freue, zwinge ich mich, die übrige halbe Seite auch noch zu lesen. Wer weiß, welche Einschränkungen noch gemacht werden. Und nochmal von vorne. Aber ich finde keinerlei Haken. Ich kann es noch gar nicht
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