Oben ohne
nicht zu meiner Beruhigung bei. Außerdem legt sich eine dezente Übelkeit über meinen Magen, der eigentlich schon wieder völlig leer ist. Langsam kapiere ich, dass ich mich in Richtung Unterzuckerung bewege. Wenn ich nicht aufpasse, kippe ich hier im Aufwachraum einfach um. Zusammenklappen ist eine meiner leichteren Übungen, die ich gerne mal beim nüchternen Blutabnehmen praktiziere. Oder bei meinem einmaligen Versuch, Blut zu spenden. Danach lag ich noch stundenlang scheintot auf der Liege, und mir war hundeelend. Die Rotkreuzler mussten mich mit Kraftbrühe und Cola wieder aufpäppeln. Das habe ich anschließend nie wieder probiert.
Mit etwas Mühe reiße ich mich von Evelyn los und sage der Schwester, dass ich nochmal draußen warten werde. Sie sieht mich etwas besorgt an, ich bin wahrscheinlich weiß wie die Wand, und sagt nur: »Ja, schnappen Sie besser ein wenig frische Luft.«
Draußen treffe ich direkt auf Doktor Heckmann. »Alles in Ordnung, Herr Heeg, als wir die Blutzufuhr hergestellt haben, ist das Transplantat sofort ›angesprungen‹, wie wir sagen.« Er lächelt mir kurz aufmunternd zu und hastet weiter.
Das sind doch gute Nachrichten! Meine Übelkeit flaut ab, ich hole mir etwas zu essen aus dem Zimmer und mache noch eine Runde um das Krankenhaus. Die OP hat mindestens acht, wahrscheinlich sogar neun Stunden gedauert, rechne ich aus. Die ersten drei Tage sind wohl die kritischsten, was das mögliche Abstoßen des Transplantates angeht. Hoffen wir, dass das nicht eintritt! Was für ein GAU: Dann wäre das alles umsonst gewesen. Mir wird klar, wie sich Angehörige nach der Transplantation von lebenswichtigen Organen fühlen müssen. Na ja, das ist natürlich nicht ganz vergleichbar, da geht es dann ja oft um Leben oder Tod. Aber ich bekomme einen sachten Eindruck davon, wie beschissen sich das wahrscheinlich anfühlt, diese ersten Stunden nach der stundenlangen Operation.
Eine halbe Stunde später: Evelyn ist schon bei Bewusstsein. Die Schwester führt ihr gerade eine Glas Wasser mir Strohhalm zum Mund, denn sie darf die Arme noch nicht bewegen.
»Wollen Sie einen kalten Waschlappen auf Ihrer Stirn?«
Evelyn nickt leicht. Ich stelle mich wieder auf die Bettseite, auf der weniger Gerätschaften stehen, und wir schauen uns kurz an. Dann bringt ihr die Schwester die Kühlung, und Evelyns Augen fallen sofort wieder zu, sie schläft direkt ein. Der Puls ist gesunken, er bewegt sich um die neunzig Schläge. Sie sieht nun auch mehr nach Schlafen aus. Anscheinend alles im grünen Bereich. Die Pflegerin ist sowieso mehr um mich als um Evelyn besorgt: »Alles wieder klar bei Ihnen? Ja, Sie sehen wieder besser aus.« Wahrscheinlich hat sie schon Erfahrung mit Männern, die kein Blut sehen können. Obwohl hier weit und breit kein Tropfen Blut ist.
Im Laufe des Abends bin ich immer wieder bei Evelyn, die ganz langsam zu sich kommt und irgendwann auch ansprechbar ist.
»Wie geht’s?«
Klar, keine so wahnsinnig originelle Frage.
»Heiß«, sagt sie leise, mit ziemlich belegter Stimme. »Ein bisschen Halsweh«, schiebt sie hinterher.
Das kommt vom Beatmungsschlauch, erklärt die Schwester. Also kein Problem, wenn auch lästig.
Ich bringe neues Wasser und halte ihr den Strohhalm an den Mund. Mehrere Beutel hängen an meiner Seite des Bettes. Ein Blasenkatheter fängt den Urin auf, und vier oder fünf Plastikflaschen leiten Blut und andere Wundflüssigkeiten aus den Wunden am Po und aus dem neuen Busen ab.
Die Schwester wirft ab und zu einen kontrollierenden Blick auf den Beutel mit Urin, und auf den Flaschen markiert sie regelmäßig die Füllstände. Außerdem hebt sie immer wieder die Decke und betrachtet prüfend die operierte Brust. Ich habe ihr Platz gemacht und stehe zu weit weg, um etwas zu sehen. Was aber wahrscheinlich gut so ist, denn ich weiß nicht, ob ich heute noch so wahnsinnig viel verkrafte. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie die Brust nach der OP aussehen würde. Komplett verbunden? Oder nackt, dafür aber grün und blau von Blutergüssen? Geschwollen zu einem Riesenbusen? An solche Fragen denkt man nicht bei der Vorbesprechung. Und vielleicht hätte ich sie sowieso nicht gestellt. »Wie sieht der Busen eigentlich direkt nach der OP aus?« Klingt doch bescheuert, oder? Jedenfalls wird sie ohne Brustwarze sein, soviel ist sicher. Und das wird sicher etwas schräg aussehen. Jedenfalls besser, ich schaue mir das heute nicht mehr an!
Inzwischen ist es längst dunkel, und ich muss
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