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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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Sie wirkt müde, denn sie ist wieder mit dem Nachtzug angereist. Egal, es ist auf jeden Fall schön, dass die beiden da sind. Sie sind eben, wie sie sind. Ihr Blumenstrauß auf dem Fensterbrett ist sehr schön. Irgendwann löst sich die Befangenheit, und wir reden darüber, wie es den beiden in Beruf und Studium ergeht.
    Schließlich machen die beiden sich auf die Suche nach einem Café, und ich nutze die Zeit zum Schlafen, denn ich bin schon wieder ziemlich müde. Essen und Schlafen, das sind wohl so meine Hauptbeschäftigungen. Später kommt Tino zurück, und Anette und Jörg verabschieden sich. So vergeht der Samstag.

    »Sie hören Bruce Springsteen?« Es ist Montagmorgen, Professor Feller steht neben meinem Bett und hat die CDs auf dem Fensterbrett erspäht.
    »Hier im Krankenhaus hatte ich noch gar keine Lust auf Musik«, antworte ich. »Aber auf der Herfahrt haben wir sie gehört.«
    »Bei mir läuft sie auch gerade im Auto. Wie geht es Ihnen?«
    Ich erzähle ihm von meinen Fortschritten, er begutachtet die Brust und ist zufrieden. Er klärt mich noch kurz auf, wann welche Schläuche entfernt werden, gibt mir den Auftrag, doch mal das Treppenhaus zu erklimmen, und verschwindet dann wieder. Wie immer wird abends nochmal einer von den beiden Ärzten vorbeikommen. Okay, das Ziel diesen Montag ist geklärt: Treppensteigen. Meine Mitpatientin hat den gleichen Auftrag bekommen. Wir bereiten uns also mental darauf vor. Sie traut sich dann als Erste, ich warte noch, denn heute wird mir der Blasenkatheter entfernt. Wenn der weg ist, bewegt es sich freier. Dann muss ich nur noch die Drainageflaschen tragen, in denen die Wundflüssigkeiten aufgefangen werden.
    Als die Schwestern schließlich kommen und mich von dem Katheter befreien, ist Tino gerade für zwei Stunden unterwegs: Mittagessen und dann in einem Internetshop Mails abrufen und beantworten. So versucht er, sein Büro trotzdem in Gang zu halten, während er hier in München ist und sich um mich kümmert. Mich interessiert es aber brennend, wie sich wohl die Treppen anfühlen. Ich könnte es doch auch allein wagen. Ich zögere kurz, aber schließlich entscheide ich mich, einfach mal an den Fuß der Treppe zu laufen. Umdrehen kannst du immer, sage ich mir. Ich schnappe mir meine Flaschen, und ab geht’s. Natürlich bin ich weiterhin sehr langsam unterwegs, aber das macht nichts. Es gibt genug zu sehen. Draußen auf dem Gang ist immer was los: Mütter, die ihre Neugeborenen in den Schlaf fahren, auf dem Weg in den Stillraum sind, sich aus der Klinik verabschieden, manchmal auch werdende Väter, die sichtlich nervös über den Gang tigern.
    Bald erreiche ich die Treppe. Jetzt muss ich mich entscheiden: hoch oder runter. Hochlaufen erscheint mir einfacher. Klar ist nur, dass ich dann auch wieder runter muss. Aber halt, es gibt ja auch einen Aufzug. Ich gehe also auf jeden Fall erst mal hoch. Die erste Stufe nehme ich noch sehr vorsichtig. Leider ist links kein Geländer, das Geländer rechts möchte ich lieber nicht in Anspruch nehmen. Wer weiß, wie das der Brust bekommt, wenn ich den rechten Arm und die Muskeln zu sehr beanspruche. Super, die erste Stufe geht völlig problemlos! Jetzt die nächste. Und wieder eine. Bald denke ich gar nicht mehr darüber nach. Ein Stockwerk höher angekommen, drehe ich um. Und tatsächlich ist abwärts nicht ganz so trivial. Doch hier hilft das Geländer, das jetzt links auf der gesunden Seite ist. Ich bin hoch motiviert und gehe gleich beide Stockwerke nach unten und dann wieder eins hoch. Zurück im Zimmer tausche ich mit meiner Mitpatientin die Zahl der zurückgelegten Stufen aus und gewinne die interne Zimmerwertung locker. Wir einigen uns darauf, dass ich ja auch deutlich jünger bin. Wir feiern unsere Treppenhausbegehung mit ein paar Schokobonbons.

    »Sollen wir nicht mal etwas an die frische Luft?«
    Es ist Dienstagnachmittag, und Tino macht den Vorschlag, das Klinikgebäude zu verlassen. Ich war schon eine Woche nicht mehr draußen. Ich merke, dass ich zwar Lust hätte, aber auch noch ängstlich bin.
    »Es ist richtig kalt da draußen. Wer weiß, ob mir das bekommt«, wende ich ein. Tino lässt sich nicht abbringen. Sein Argument: ich gehe problemlos die drei Stockwerke rauf und runter, da kann ich wohl ebenerdig nach draußen.
    »Ja, ja, aber das Anziehen ist nicht so einfach.«
    »Kein Problem, da helfe ich dir.«
    Schließlich gebe ich klein bei. Das Anziehen zeigt mir allerdings auf unangenehme Weise, wie sehr ich noch

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