Oblomow
lesen, in der Wohnung von Tarantjews Gevatterin friedlich altern ... »Jetzt oder nie!« »Sein oder nicht sein!« Oblomow wollte vom Sessel aufstehen, fand aber mit dem Fuß nicht gleich in den Pantoffel hinein und setzte sich wieder hin.
Nach vierzehn Tagen reiste Stolz bereits nach England ab, nachdem er Oblomow das Wort abgenommen hatte, direkt nach Paris zu kommen. Ilja Iljitsch besaß schon einen fertigen Paß, er hatte sich sogar einen Reisemantel bestellt und eine Mütze gekauft. So weit war die Angelegenheit fortgeschritten! Sachar bewies schon tiefsinnig, daß es genüge, ein Paar Stiefel zu bestellen und das alte besohlen zu lassen. Oblomow kaufte sich eine Decke, ein wollenes Leibchen, ein Reisenecessaire, wollte auch einen Sack für Eßwaren kaufen, aber zehn Menschen bestätigten ihm zugleich, daß man ins Ausland keine Eßwaren mitnimmt. Sachar rannte ganz in Schweiß gebadet zu den Handwerkern und in die Läden hin, und obgleich von dem Rest in den Läden viele Zehner und Fünfer in seine Tasche wanderten, verfluchte er doch Andrej Iwanowitsch und alle, die das Reisen erfunden haben. »Was wird er dort allein tun?« sagte er im Laden, »man sagt, daß man dort nur von Frauenzimmern bedient wird. Wie kann ein Frauenzimmer einen Schuh herunterziehen? Und wie wird sie dem Herrn auf die nackten Füße Strümpfe anziehen ...?« Er lächelte sogar, so daß der Backenbart sich auseinanderschob, und schüttelte den Kopf. Oblomow war nicht zu faul aufzuschreiben, was er mitnehmen wollte und was dazulassen war. Tarantjew wurde beauftragt, die Möbel und die anderen Sachen in die Wohnung der Gevatterin in der Wiborgskajastraße hinzuschaffen, alles in den drei Zimmern einzuschließen und bis zur Rückkehr aus dem Ausland zu hüten.
Oblomows Bekannte sagten schon teils mißtrauisch, teils lachend, teils erschrocken: »Er fährt; denken Sie sich, Oblomow rührt sich tatsächlich vom Fleck.«
Aber Oblomow verreiste weder in einem noch in drei Monaten.
Am Vorabend der Abreise schwoll ihm die Lippe an. »Mich hat eine Fliege gebissen, ich kann doch mit einer solchen Lippe nicht auf die See gehen!« – sagte er und begann auf das nächste Schiff zu warten. Es ist schon August, Stolz ist längst in Paris, schreibt ihm wütende Briefe, erhält aber keine Antwort.
Warum denn? Vielleicht ist die Tinte im Tintenfaß eingetrocknet und es gibt kein Papier? Oder vielleicht, weil im Stil von Oblomow welcher und daß oft aufeinanderstoßen, oder, endlich, hat sich Ilja Iljitsch bei dem drohenden Ruf »jetzt oder nie« zu dem letzteren entschlossen, hat die Hände unter dem Kopf verschränkt, und Sachar versucht es vergeblich, ihn aufzuwecken?
Nein, sein Tintenfaß ist voll Tinte, auf dem Tisch liegen Briefe, Papier, sogar mit einem Wappen und mit seiner Handschrift bedeckt.
Wenn er einige Seiten schrieb, setzte er niemals zweimal welcher, seine Gedanken drückten sich frei und stellenweise ausdrucksvoll und beredt aus, wie in alten Tagen, da er mit Stolz von einem Leben der Arbeit und von Reisen träumte, seine Hefte mit Prosa und Gedichten füllte und über den Dichtern weinte.
Er steht um sieben Uhr auf, liest, trägt seine Bücher irgendwohin. Auf seinem Gesicht ist weder Schläfrigkeit noch Langeweile zu sehen. Es hat sogar Farbe bekommen, die Augen leuchten und drücken etwas wie Kühnheit, jedenfalls aber Selbstbewußtsein aus. Man sieht ihn nicht im Schlafrock; Tarantjew hat ihn mit den anderen Sachen zur Gevatterin hintransportiert. Oblomow sitzt bei einem Buch oder schreibt in einem Mantel, den er zu Hause trägt; um den Hals ist eine leichte Krawatte gewunden; der Hemdkragen schaut hervor und glänzt wie Schnee. Er geht in einem ausgezeichnet sitzenden Rock und einem eleganten Hut aus ... Er ist fröhlich und singt ... Was bedeutet das ...? Er sitzt am Fenster seiner Landwohnung (er lebt auf dem Lande, ein paar Werst von der Stadt entfernt), neben ihm liegt ein Blumenstrauß. Er schreibt eilig etwas fertig, blickt dabei fortwährend durch das Gebüsch auf den Gartenweg hin und schreibt wieder eilig weiter. Plötzlich knistert auf dem Gartenweg der Kies unter leichten Schritten; Oblomow wirft die Feder fort, erfaßt die Blumen und läuft ans Fenster. »Sind Sie es, Oljga Sjergejewna? Gleich, gleich!« sagte er, ergreift den Hut und die Gerte, eilt zur Gartentür hin, reicht einer schönen Frau den Arm und verschwindet mit ihr im Wald, im Schatten der riesenhaften Tannen ... Sachar kommt aus einer Ecke heraus,
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