Oblomow
ob Sie gekommen sind oder nicht, und ob Sie kommen werden ... Das alles steht der Jugend gut, die angenehme oder unangenehme Erregungen leicht erträgt; und mir ziemt Ruhe, wenn sie auch langweilig und schläfrig ist, doch sie ist mir vertraut, und mit Stürmen werde ich nicht fertig.
Viele würden sich über meine Handlung wundern. Warum flieht er? sagen sie; andere werden mich auslachen, ich bin auch darauf gefaßt. Wenn ich einmal entschlossen bin, Sie nicht mehr zu sehen, bin ich zu allem bereit.
Mich tröstet in meiner tiefen Trauer der Gedanke, daß diese kurze Episode unseres Lebens mir für immer eine so reine, duftige Erinnerung zurücklassen wird, daß sie allein ausreichen wird, mich nicht in den früheren Schlaf der Seele zurücksinken zu lassen, und Ihnen wird sie, ohne Ihnen zu schaden, als Leitfaden in Ihrer künftigen, normalen Liebe dienen. Leben Sie wohl, Sie Engel, fliegen Sie schnell fort, wie ein erschreckter Vogel vom Zweige fortfliegt, auf den er sich irrtümlich gesetzt hat, ebenso leicht, frisch und lustig wie er.«
Oblomow schrieb voll Begeisterung; die Feder flog über die Seiten hin. Seine Augen leuchteten, seine Wangen glühten. Der Brief wurde lang wie alle Liebesbriefe; die Liebenden sind furchtbar geschwätzig.
Seltsam! Jetzt ist es mir nicht mehr traurig und schwer ums Herz, dachte er, ich bin beinahe glücklich ... Warum? Wahrscheinlich, weil ich die Last von meiner Seele in den Brief hineingelegt habe.
Er las nochmals den Brief, legte ihn zusammen und versiegelte ihn.
»Sachar!« sagte er, »wenn der Diener kommt, gib ihm diesen Brief für das Fräulein mit.«
»Zu Befehl!« sagte Sachar.
Oblomow war tatsächlich fast fröhlich geworden. Er zog die Füße auf das Sofa hinauf und fragte sogar, ob etwas zum Frühstück da wäre. Er aß zwei Eier und rauchte eine Zigarre an. Sein Herz und sein Kopf arbeiteten, er lebte. Er stellte sich vor, wie Oljga den Brief erhalten, wie sie erstaunen und was für ein Gesicht sie beim Lesen machen würde. Was würde dann sein? ... Er genoß die Perspektive dieses Tages, das Neue in der Situation ... Er lauschte mit Herzklopfen dem Knarren der Türe, ob der Diener nicht schon da war und ob Oljga nicht schon den Brief las ...
Nein, im Vorzimmer war alles still.
Was hat das zu bedeuten? dachte er unruhig – niemand war da; wieso denn?
Eine heimliche Stimme flüsterte ihm gleich zu: »Warum beunruhigst du dich? Das ist ja gerade recht, wenn du jeden Verkehr abbrechen willst!« Doch er erstickte diese Stimme.
Nach einer halben Stunde war es ihm gelungen, Sachar, der mit einem Kutscher auf dem Hofe saß, ins Zimmer zu rufen.
»War niemand da?« fragte er.
»Es war jemand da!« antwortete Sachar.
»Und was hast du gesagt?«
»Ich hab' gesagt, daß Sie nicht da sind, daß Sie in die Stadt gefahren sind.«
Oblomow öffnete weit die Augen.
»Warum hast du denn das gesagt?« fragte er. »Was habe ich dir zu sagen befohlen, wenn der Diener kommt?«
»Es war ja nicht der Diener da, sondern das Stubenmädchen,« antwortete Sachar mit unerschütterlichem Gleichmut.
»Und hast du den Brief abgegeben?«
»Nein. Sie haben ja befohlen, erst zu sagen, daß Sie nicht zu Hause sind, und dann den Brief abzugeben. Wenn der Diener kommt, gebe ich ihm den Brief.«
»Nein, nein, du ... du bist einfach ein Mörder! Wo ist der Brief? Gib ihn her!«
Sachar brachte den Brief, der schon ziemlich verschmiert war.
»Wasch dir deine Hände und nimm dich in acht!« sagte Oblomow zornig, auf einen Fleck hinweisend.
»Ich habe reine Hände,« gab Sachar, zur Seite blickend, zur Antwort.
»Anissja! Anissja!« rief Oblomow.
Anissja steckte ihren halben Körper aus dem Vorzimmer herein.
»Schau, was Sachar macht!« beklagte er sich bei ihr. »Da hast du den Brief und gib ihn dem Diener oder dem Stubenmädchen, die von Iljinskys kommen, sie möchten ihn dem Fräulein geben, hörst du?«
»Ich höre, Väterchen. Geben Sie ihn mir, bitte, ich richte es schon aus.«
Sowie sie aber ins Vorzimmer kam, riß ihr Sachar den Brief aus der Hand.
»Geh, geh,« schrie er, »nimm deine Frauenzimmerarbeit vor!«
Nach einiger Zeit kam das Stubenmädchen. Sachar machte ihr die Türe auf, und Anissja wollte unterdessen auf sie zugehen, doch Sachar blickte sie wütend an.
»Was hast du hier zu suchen?« fragte er heiser.
»Ich wollte nur zuhören, wie du ...«
»Ruhig!« donnerte er, auf sie mit dem Ellbogen zielend, »du fängst auch an?«
Sie lachte und ging, schaute
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