Oblomow
wenn ich einen anderen liebe; ich werde also glücklich sein! Und Sie sagen, daß Sie mein Glück in der Zukunft voraussehen und bereit sind, für mich alles, selbst das Leben, zu opfern?«
Er sah sie forschend an und blinzelte seltsam und langsam.
»Also da wollte sie hinaus!« flüsterte er, »ich muß gestehen, das habe ich nicht erwartet ...«
Und sie musterte ihn so spöttisch vom Kopf bis zu den Füßen.
»Und das Glück, das Sie wahnsinnig macht?« fuhr sie fort, »die Morgen und Abende, dieser Park und mein ›ich liebe‹, ist das alles nichts wert, verdient es kein Opfer, keinen Schmerz?«
Ach, wenn ich in die Erde sinken könnte! dachte er, sich innerlich immer mehr quälend, je klarer ihm Oljgas Gedanke wurde.
»Und wenn,« fragte sie leidenschaftlich, »diese Liebe Sie ermüdet, wie die Bücher, das Amt und die Gesellschaft Sie ermüdet haben; wenn Sie mit der Zeit, ohne daß meine Nebenbuhlerin, ohne daß eine andere Liebe kommt, plötzlich neben mir wie auf Ihrem Sofa einschlafen und meine Stimme Sie nicht erweckt; wenn die Geschwulst an Ihrem Herzen vergeht, wenn nicht einmal eine andere Frau, sondern der Schlafrock Ihnen teurer ist? ...«
»Oljga, das ist unmöglich!« unterbrach er sie mißmutig und rückte von ihr fort.
»Warum ist das unmöglich? Sie sagen, daß ich mich irre, daß ich einen anderen lieben werde. Und was dann? Wie werde ich mich davon, was ich dann tue, freisprechen? Was werde ich nicht den Menschen oder der Welt, sondern mir selbst sagen? ... Auch ich schlafe manchmal deswegen nicht, ich quäle Sie aber nicht mit Vermutungen über die Zukunft, denn ich glaube daran, daß es besser wird. Bei mir überwiegt das Glück, nicht die Furcht. Ich halte es für etwas wert, wenn ich Ihre Augen leuchten mache, wenn Sie auf die Hügel steigen, um mich zu suchen, wenn Sie Ihre Trägheit vergessen und in der Hitze meinetwegen in die Stadt eilen, um ein Buch oder Blumen zu holen; wenn ich sehe, daß ich Sie lächeln und das Leben lieben gemacht habe ... Ich warte nur auf eines und suche nur eines – das Glück, und glaube, daß ich es gefunden habe. Wenn ich mich irre, wenn es wahr ist, daß ich meines Irrtums wegen weinen werde, fühle ich wenigstens hier (sie legte sich die Hand aufs Herz), daß ich keine Schuld daran habe; das Schicksal hat es wohl so gewollt, und Gott hat es mir nicht anders gegeben. Doch ich fürchte die künftigen Tränen nicht; ich werde nicht vergeblich weinen; ich habe dafür etwas gehabt ... Ich war ja so glücklich! ...« fügte sie hinzu.
»Sie sollen wieder glücklich sein!« flehte Oblomow.
»Und Sie sehen nur Düsteres vor sich; Ihnen ist das Glück nichts wert ... Das ist undankbar,« fuhr er fort, »das ist keine Liebe, das ist ...«
»Egoismus!« sprach Oblomow zu Ende und wagte es nicht, Oljga anzublicken, zu sprechen und um Verzeihung zu bitten.
»Gehen Sie,« sagte sie leise, »wohin Sie gehen wollten.«
Er blickte sie an. Ihre Augen waren trocken. Sie blickte sinnend nach unten und zeichnete mit dem Schirm im Sande.
»Legen Sie sich wieder auf den Rücken,« fügte sie hinzu, »dann irren Sie sich nicht und stürzen nicht in die Tiefe des Abgrundes.«
»Ich habe Sie und mich vergiftet, anstatt einfach und unbefangen glücklich zu sein ...« murmelte er reuevoll.
»Trinken Sie Kwaß, dann vergiften Sie sich nicht,« spottete sie.
»Oljga! Das ist nicht edelmütig,« sagte er, »nachdem ich mich selbst mit dem Bewußtsein gefoltert habe ...«
»Ja, in Worten foltern Sie sich, stürzen Sie sich in Abgründe, wollen Ihr halbes Leben hergeben, und dann kommt ein Zweifel, eine schlaflose Nacht. Wie zärtlich und besorgt werden Sie dann sich selbst gegenüber, wie weitsichtig sind Sie dann! ...«
Wie wahr und wie einfach das ist! dachte Oblomow, schämte sich aber, es laut zu sagen. Warum hatte er sich das nicht selbst klargemacht, warum mußte das eine Frau, die erst zu leben begann, tun? Und wie schnell sie gereift ist; sie hat noch vor kurzem ganz wie ein Kind ausgesehen!
»Wir haben uns nichts mehr zu sagen,« schloß sie aufstehend, »leben Sie wohl, Ilja Iljitsch, und seien Sie ... ruhig; darin besteht ja Ihr Glück.«
»Oljga, nein, um Gottes willen, nein! Jagen Sie mich jetzt, da alles klar geworden ist, nicht fort ...« sagte er, ihre Hand ergreifend.
»Was wollen Sie denn von mir? Sie zweifeln, ob meine Liebe zu Ihnen nicht ein Irrtum ist; ich kann Ihren Zweifel nicht verscheuchen; vielleicht ist sie ein Irrtum ... ich weiß es
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