Oblomow
keine gab, gingen die Mieter mit verbundenen Wangen herum, und endlich wurden die Landhäuser leer. Oblomow ließ sich in der Stadt nicht blicken, und eines Morgens sah er, wie man Iljinskys Möbel an seinen Fenstern vorübertrug und vorüberfuhr. Trotzdem es ihm jetzt nicht mehr als eine Heldentat erschien, die Wohnung zu wechseln oder irgendwo unterwegs zu essen und einen ganzen Tag lang nicht auszuruhen, wußte er nun doch nicht, wo er während der Nacht ein Obdach finden könnte. Es erschien ihm als gänzlich ausgeschlossen, jetzt allein auf dem Lande zu bleiben, nachdem der Park und der Hain verödet waren und Oljgas Fensterläden sich geschlossen hatten. Er ging durch ihre leeren Zimmer, durchschritt den Park, stieg vom Berge herab, und sein Herz krampfte sich vor Trauer zusammen. Er befahl Sachar und Anissja, auf die Wiborgskajastraße zu übersiedeln, wo er so lange bleiben wollte, bis er eine Wohnung gefunden hatte, dann fuhr er in die Stadt, aß schnell im Gasthause und verbrachte den Abend bei Oljga.
Doch die Herbstabende in der Stadt glichen nicht den langen, hellen Tagen und Abenden im Park und Hain. Hier konnte er Oljga nicht mehr dreimal täglich sehen; hier kam Katja nicht zu ihm, und er schickte auch Sachar nicht auf eine Entfernung von fünf Werst mit einem Briefchen hinüber. Und das ganze blühende Liebespoem des Sommers schien stehenzubleiben und sich träger fortzubewegen, als mangle es ihm an Inhalt. Sie schwiegen manchmal eine halbe Stunde lang. Oljga vertiefte sich in ihre Arbeit und zählte leise mit der Nadel die Karos des Musters, während er sich in ein Chaos von Gedanken vertiefte, schon in der Zukunft lebte und dem gegenwärtigen Augenblick weit vorauseilte. Nur manchmal erzitterte er vor Leidenschaft, wenn er sie forschend anschaute, oder sie blickte ihn flüchtig an und lächelte, wenn sie aus seinen Augen einen Strahl zärtlicher Ergebenheit und stummen Glückes auffing. Er fuhr drei Tage lang in die Stadt zu Oljga und aß dort unter dem Vorwande, daß er noch nicht eingerichtet sei, im Laufe der Woche einziehen würde und sich deshalb in der neuen Wohnung nicht wie zu Hause fühlte, zu Mittag. Doch am vierten Tage erschien ihm das unpassend, und er fuhr seufzend nach Hause, nachdem er neben Iljinskys Wohnung herumgeirrt war. Am fünften Tage aßen sie nicht zu Hause. Am sechsten Tage sagte ihm Oljga, er sollte in ein bestimmtes Geschäft kommen, sie würde dort sein, und er könnte sie dann nach Hause begleiten, während der Wagen ihnen nachfahren würde. Das alles war unbequem; er und sie trafen Bekannte, die sie grüßten und von denen einige sie mit Gesprächen aufhielten. »Ach, du mein Gott, welch eine Qual!« sagte er, vor Angst und Unbehaglichkeit schwitzend. Auch die Tante blickte ihn mit ihren großen, matten Augen an und roch nachdenklich an ihrem Fläschchen, als verursachte er ihr Kopfschmerzen. Und wie weit er zu fahren hatte! Bis er von der Wiborgskajastraße hinkam und abends zurückkehrte, vergingen drei Stunden.
»Wollen wir's der Tante sagen,« drängte Oblomow, »dann kann ich von morgen an bei euch bleiben und niemand wird etwas sagen dürfen ...«
»Warst du bei den Behörden?« fragte Oljga.
Oblomow hatte große Lust, »ich war dort und habe alles erledigt,« zu sagen, doch er wußte, daß Oljga ihn forschend anblicken und von seinem Gesicht sofort die Lüge ablesen würde. Er seufzte, statt zu antworten.
»Ach, wenn du wüßtest, wie schwierig das ist,« sagte er.
»Und du hast mit dem Bruder der Hausfrau gesprochen und eine Wohnung gefunden?« fragte sie dann, ohne die Augen zu heben.
»Er ist des Morgens nie zu Hause, und abends bin ich hier,« sagte Oblomow und freute sich, eine genügende Ausrede gefunden zu haben.
Jetzt seufzte Oljga, sagte aber nichts.
»Morgen spreche ich sicher mit dem Bruder,« beruhigte Oblomow sie. »Morgen ist Sonntag; er geht nicht in die Kanzlei!«
»Bevor das alles erledigt ist, kann man nicht mit der Tante sprechen und muß seltener beisammen sein ...« sagte Oljga sinnend.
»Ja, ja ... das ist wahr,« fügte Oblomow erschrocken hinzu.
»Iß bei uns am Sonntag zu Mittag, das ist unser Empfangstag, und komm dann vielleicht allein am Mittwoch,« beschloß sie. »Außerdem können wir uns im Theater sehen. Du weißt, wann wir hinfahren und kannst auch kommen.«
»Ja, das ist wahr,« sagte er, darüber erfreut, daß sie die Sorge um ihre Zusammenkünfte auf sich nahm.
»Und wenn ein schöner Tag ist,« schloß sie,
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