Oblomow
»fahre ich in den Sommergarten spazieren, und auch du kannst hinkommen; das wird uns an den Park erinnern ... an den Park!« wiederholte sie ausdrucksvoll.
Er küßte ihr schweigend die Hand und nahm von ihr bis Sonntag Abschied. Sie folgte ihm traurig mit den Augen, setzte sich dann ans Klavier und gab sich ganz den Tönen hin. Ihr Herz beweinte etwas, und auch die Tasten weinten. Sie wollte singen – sie konnte aber nicht!
Am nächsten Tag stand Oblomow auf und zog einen leichten Rock an, den er auf dem Lande getragen hatte. Vom Schlafrocke hatte er sich längst verabschiedet und ihn im Schrank hängen lassen. Sachar ging, seiner Gewohnheit nach, das Präsentierbrett wiegend, ungeschickt an den Tisch heran und brachte Kaffee und Kringel. Hinter Sachar erschien, wie gewöhnlich, Anissja bis zur Hälfte in der Tür und beobachtete, ob Sachar das Brett glücklich auf den Tisch stellte; wenn er aber etwas fallen ließ, sprang sie eilig heran, um die übrigen Gegenstände zu retten. Dann begann Sachar zuerst über die Sachen und dann über seine Frau zu schimpfen und zielte mit dem Ellbogen auf ihre Brust.
»Der Kaffee ist so gut! Wer kocht ihn?« fragte Oblomow.
»Die Hausfrau selbst,« sagte Sachar; »sie tut es schon seit sechs Tagen. Sie geben zu viel Zichorie hinein,« sagt sie, »und kochen den Kaffee zu wenig. Lassen Sie nur mich es tun!«
»Er ist sehr gut!« wiederholte Oblomow, sich eine zweite Schale einschenkend. »Danke ihr.«
»Hier ist sie selbst,« sagte Sachar, auf die halbgeöffnete Tür des Nebenzimmers hinweisend. »Das ist wohl ihre Speisekammer; hier arbeitet sie immer, sie hält hier den Tee, den Zucker, den Kaffee und das Geschirr.«
Oblomow sah nur den Rücken der Hausfrau, ihren Nacken, einen Teil ihres weißen Halses und ihre nackten Ellbogen.
»Warum bewegt sie dort so schnell ihre Ellbogen?« fragte Oblomow.
»Wer weiß! Vielleicht bügelt sie Spitzen.«
Oblomow beobachtete, wie die Ellbogen arbeiteten, und wie der Rücken sich beugte und aufrichtete.
Wenn sie sich bückte, sah man ihren reinen Unterrock, ihre reinen Strümpfe und die runden, dicken Füße.
Sie ist eine Beamtenfrau und hat Ellbogen wie eine Gräfin, mit Grübchen! dachte Oblomow.
Um die Mittagsstunde kam Sachar fragen, ob er nicht von der Piroge kosten wolle. Die Hausfrau bäte ihn darum.
»Heute ist Sonntag, da haben sie eine Piroge gebacken.«
»Na, ich kann mir die Piroge vorstellen!« sagte Oblomow geringschätzig. »Wahrscheinlich mit Zwiebeln und Rüben ...«
»Die Piroge ist nicht schlimmer als in Oblomowka,« bemerkte Sachar, »mit jungen Hühnern und frischen Pilzen.«
»Ah, das muß dann gut sein. Bring mir ein Stück! Wer bäckt das? Diese schmutzige Alte?«
»Aber wo denken Sie hin?« sagte Sachar verächtlich. »Wenn die Hausfrau nicht dabei wäre, könnte sie nicht einmal den Teig anmachen. Die Hausfrau macht alles selbst in der Küche. Sie hat die Piroge mit Anissja zusammen gebacken.«
Nach fünf Minuten erschien aus dem Nebenzimmer ein nackter Arm, der mit dem ihm bekannten Schal kaum bedeckt war; die Hand hielt einen Teller, auf dem ein ungeheures Stück Piroge dampfte.
»Danke bestens,« antwortete Oblomow freundlich, die Piroge in Empfang nehmend, blickte in die Tür hinein und heftete seine Augen auf die hohe Brust und die nackten Schultern. Die Tür wurde eilig geschlossen. »Wünschen Sie einen Schnaps?« hörte er fragen.
»Ich trinke nicht; danke vielmals,« sagte Oblomow noch freundlicher. »Was für einen haben Sie?«
»Unseren eigenen, selbstgemachten. Wir lassen ihn auf Johannisbeerblättern ziehen,« sprach die Stimme.
»Ich habe einen auf Johannisbeerblättern gezogenen nie getrunken. Wenn Sie erlauben, werde ich ihn kosten!«
Die Hand erschien wieder mit einem Teller und einem Gläschen Schnaps. Oblomow trank; er schmeckte ihm sehr gut.
»Besten Dank!« sagte er und versuchte, in die Tür hineinzublicken; doch sie wurde zugeschlagen.
»Warum lassen Sie sich nicht anschauen, damit ich Ihnen guten Morgen sagen kann?« fragte Oblomow vorwurfsvoll.
Die Hausfrau lachte hinter der Tür auf.
»Ich bin noch im Morgenkleid. Ich war die ganze Zeit in der Küche. Ich ziehe mich jetzt an; der Bruder kehrt gleich von der Messe zurück,« antwortete sie schüchtern.
»Ach ja, da Sie vom Bruder sprechen,« bemerkte Oblomow, »erinnere ich mich, daß ich ihn sprechen muß.«
»Gut, ich werde es ihm sagen, wenn er zurückkehrt.«
»Wer hustet bei Ihnen? Ich höre einen so
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