Oblomow
Matwejewitsch leise hinzu. »Sie sollten sich aber keine Scherereien machen. Sie werden es hier bequem haben. Und was das Geld anbelangt ... Die Schwester wird warten.«
»Ich kann nicht, aus verschiedenen Gründen nicht! ... Hören Sie?«
»Ich höre. Wie es Ihnen beliebt,« antwortete Iwan Matwejewitsch gehorsam und trat um einen Schritt zurück.
»Gut, ich werde es mir überlegen und werde die Wohnung jemand zu übergeben versuchen!« sagte Oblomow, dem Beamten zunickend.
»Das geht schwer; übrigens, wie es Ihnen beliebt!« schloß Iwan Matwejewitsch, verneigte sich dreimal und ging hinaus.
Oblomow zog seine Brieftasche hervor und zählte das Geld. Es waren im ganzen dreihundertfünf Rubel. Er starrte. »Wo ist das Geld hingekommen?« fragte Oblomow sich selbst erstaunt und fast entsetzt. »Man hat mir zu Anfang des Sommers tausendzweihundert Rubel vom Gut geschickt, und jetzt habe ich nur noch dreihundert!«
Er begann zu zählen und versuchte sich aller Ausgaben zu entsinnen. Ihm fielen aber nur zweihundertfünfzig Rubel ein.
»Wofür habe ich das Geld ausgegeben?« fragte er. »Sachar, Sachar!«
»Was wünschen Sie?«
»Wo ist denn unser ganzes Geld? Wir haben ja keines mehr!«
Sachar begann in den Taschen zu suchen, nahm einen halben Rubel und zehn Kopeken heraus und legte sie auf den Tisch.
»Da, ich habe vergessen, es Ihnen zurückzugeben; das ist vom Umzug zurückgeblieben!« sagte er.
»Was legst du mir das Kleingeld her? Sag mir lieber, wo die achthundert Rubel hingekommen sind!«
»Wie kann ich das wissen? Weiß ich denn, wie Sie das Geld ausgeben, was Sie den Droschkenkutschern zahlen?«
»Ja, die Wagen haben viel gekostet,« erinnerte sich Oblomow, indem er Sachar anblickte. »Weißt du nicht mehr, wieviel wir dem Droschkenkutscher auf dem Lande gezahlt haben?«
»Wie sollte ich mich daran erinnern? Einmal haben Sie mich dreißig Rubel zahlen lassen, das weiß ich.«
»Wenn du alles aufschreiben könntest!« warf Oblomow ihm vor. »Es ist schlimm, so ungebildet zu sein!«
»Ich habe mein Leben, Gott sei Dank, auch ohne Bildung nicht schlimmer als die andern verbracht!« entgegnete Sachar, zur Seite blickend.
Stolz hat recht: Man muß im Dorfe eine Schule einrichten! dachte Oblomow.
»Bei Iljinskys soll ein Gebildeter gewesen sein, wie die Leute erzählen,« fuhr Sachar fort, »und der hat das Silber aus der Kredenz gestohlen!«
Na, ich danke! dachte Oblomow ängstlich. Diese Gebildeten sind wirklich ganz demoralisiert; sie treiben sich in den Schenken herum, kaufen sich Harmonikas und Tee ... Nein, es ist zu früh, Schulen einzuführen! ...
»Nun, wofür haben wir noch Geld ausgegeben?« fragte er.
»Wie kann ich das wissen? Sie haben noch Michej Andreitsch auf dem Lande Geld gegeben ...«
»Wirklich!« sagte Oblomow erfreut, eine neue Ausgabe zu entdecken. »Also dreißig Rubel dem Kutscher und ich glaube fünfundzwanzig Rubel Tarantjew ... Was noch?«
Er blickte Sachar sinnend und fragend an, während Sachar ihn finster von der Seite ansah.
»Vielleicht weiß es Anissja?« fragte Oblomow.
»Wie sollte es diese Närrin wissen? Was weiß denn ein Frauenzimmer?« sagte Sachar verächtlich.
»Mir fällt nichts ein!« schloß Oblomow verzweifelt. »Vielleicht waren Diebe da?«
»Wenn Diebe dagewesen wären, hätten sie alles genommen!« sagte Sachar und ging.
Oblomow setzte sich in den Lehnstuhl und sann nach. Wo soll ich denn das Geld hernehmen? dachte er, bis ihm der kalte Schweiß kam. Wann bekomme ich etwas vom Gut und wieviel?
Er sah auf die Uhr; es war zwei Uhr, die Stunde, da er zu Oljga fahren sollte. Heute war der Tag, an dem er dort speiste. Er wurde nach und nach heiterer, ließ eine Droschke holen und fuhr auf die Morskajastraße.
Viertes Kapitel
Er sagte Oljga, er hätte mit dem Bruder der Hausbesitzerin gesprochen, und fügte unter anderem hinzu, er hoffe, die Wohnung noch diese Woche an den Mann zu bringen.
Vor dem Essen machte Oljga mit der Tante einen Besuch, während Oblomow in der Nähe Wohnungen suchte. Er war in zwei Häusern; in dem einen fand er eine Wohnung, die aus vier Zimmern bestand und viertausend Rubel kostete, und im zweiten Hause verlangte man für fünf Zimmer sechstausend Rubel.
»Entsetzlich, entsetzlich!« sagte er, sich die Ohren zuhaltend und von den erstaunten Hausbesorgern fortlaufend. Nachdem er zu diesen Summen über tausend Rubel hinzugefügt hatte, die er der Pschenizin bezahlen mußte, hatte er vor Angst keine Zeit, zu addieren,
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