Oblomow
beschleunigte seine Schritte und lief zu Oljga. Dort war Gesellschaft. Oljga war angeregt, sie sprach, sang und machte Furore. Nur Oblomow hörte zerstreut zu, und sie sprach und sang nur für ihn, damit er die Nase nicht hängen ließ und die Lider nicht senkte, damit alles in ihm unaufhörlich redete und sang.
»Komm morgen ins Theater, wir haben eine Loge«, sagte sie.
Abends bei diesem Schmutz und so weit! dachte er, als er ihr aber in die Augen blickte, beantwortete er ihr Lächeln mit einem Lächeln der Beistimmung.
»Abonniere dich auf einen Parkettsitz«, fügte sie hinzu. »Nächste Woche kommen die Majewskys; ma tante hat sie in unsere Loge eingeladen.«
Und sie sah ihm in die Augen, um zu erfahren, wie sehr er sich freute.
Mein Gott! dachte er entsetzt. Und ich habe nur dreihundert Rubel.
»Bitte den Baron darum, er ist dort mit allen bekannt und wird dir gleich morgen einen Sitz besorgen.«
Und sie lächelte wieder; auch er blickte sie lächelnd an und bat ebenfalls lächelnd den Baron. Dieser willigte ebenfalls lächelnd ein, die Karte holen zu lassen.
»Jetzt sitzest du im Parkett, und später, wenn du alles erledigt hast«, fügte Oljga hinzu, »wirst du schon das Recht haben, einen Platz in unserer Loge einzunehmen.«
Jetzt lächelte sie so, wie sie es tat, wenn sie ganz glücklich war. Ach, welch ein Glück lächelte ihn plötzlich an, als Oljga den Schleier der berückenden Ferne, die mit ihrem Lächeln wie mit Blumen geschmückt war, lüftete! Oblomow vergaß sogar das Geld; erst als er am nächsten Morgen das Paket des Bruders an den Fenstern vorbeihuschen sah, erinnerte er sich an die Vollmacht und bat Iwan Matwejewitsch, dieselbe behördlich bestätigen zu lassen. Dieser las das Dokument, erklärte, dasselbe enthalte einen undeutlichen Punkt, und schlug vor, denselben zu erläutern. Das Dokument wurde umgeschrieben, endlich bestätigt und auf die Post geschickt. Oblomow teilte es triumphierend Oljga mit und beruhigte sich für lange Zeit. Er freute sich, daß er bis zum Eintreffen der Antwort keine Wohnung zu suchen brauchte, und daß er das Geld nach und nach ausgeben konnte. Man könnte ja auch hier wohnen, dachte er, aber es ist von allem so weit, sonst herrscht ja allerdings strenge Ordnung, und die Wirtschaft wird ausgezeichnet geführt ...
Die Wirtschaft wurde in der Tat ausgezeichnet geführt. Trotzdem Oblomow besondere Küche führte, wachte doch das Auge der Hausfrau auch über seinem Essen. Als Ilja Iljitsch eines Tages in die Küche trat, traf er Agafja Matwejewna fast in einer Umarmung mit Anissja an. Wenn es eine Sympathie der Seelen gibt, wenn verwandte Herzen schon aus der Ferne wittern, wurde das noch nie so augenscheinlich bewiesen wie durch die Sympathie von Agafja Matwejewna und Anissja füreinander. Sie hatten sich gegenseitig gleich beim ersten Blick, beim ersten Wort und bei der ersten Begegnung begriffen und abgeschätzt, Agafja Matwejewna hatte aus Anissjas Handgriffen, als sie mit einem Schürhaken und einem Fetzen bewaffnet, mit aufgestreiften Ärmeln die seit einem halben Jahre nicht geheizte Küche in Ordnung brachte, daraus, wie sie auf einen Ruck mit dem Besen die Wände, die Küchenbretter und den Tisch abstaubte, wie weit sie mit dem Kehrbesen auf dem Fußboden und den Bänken ausholte, und daraus, wie schnell sie den Ofen von Asche reinigte, ersehen, was Anissja wert war, und was für eine große Hilfe sie ihr in ihren häuslichen Arbeiten sein konnte. Sie schloß sie in dem Augenblick in ihr Herz ein. Und als Anissja nur einmal gesehen hatte, wie Agafja Matwejewna in der Küche herrschte, wie sie mit ihren Falkenaugen ohne Brauen jede ungeschickte Bewegung der plumpen Akulina auffing, wie sie ihr die Befehle, herauszunehmen, hinzustellen, zu wärmen, zu salzen, zudonnerte, wie sie auf dem Markt auf den ersten Blick und höchstens bei der Berührung mit dem Finger, ohne sich zu irren, entschied, wieviel Monate ein Huhn alt war, ob der Fisch lange tot war, und wann die Petersilie oder der Salat vom Beet gepflückt wurde, erhob Anissja zu ihr erstaunt und voll ehrfurchtsvoller Angst die Augen und sah ein, daß sie selbst ihren Beruf verfehlt habe, daß das Feld ihrer Tätigkeit sich nicht in Oblomows Küche befand, wo ihre Schnelligkeit, die stets rastlose, fieberhafte Nervosität ihrer Bewegungen nur darauf gerichtet war, einen von Sachar herabgeworfenen Teller oder ein Glas im Fluge aufzufangen, und wo ihre Erfahrenheit und die Feinheit ihrer
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