Oblomow
stottert ein wenig, ist aber ein tüchtiger, brauchbarer Mensch. Er hat drei Jahre lang ein großes Gut verwaltet, der Gutsbesitzer hat ihn aber fortgeschickt, weil er stottert. Da ist er in unsere Kanzlei eingetreten.«
»Kann man sich aber auf ihn verlassen?«
»Er ist eine ehrliche Seele – da können Sie ohne Sorge sein! Er ist imstande, sein eigenes Geld hinzugeben, nur um den Vollmachtgeber zufriedenzustellen. Er ist bei uns schon das zwölfte Jahr angestellt.«
»Wie wird er denn hinfahren können, wenn er eine Anstellung hat?«
»Das macht nichts, er wird einen viermonatigen Urlaub nehmen. Haben Sie also die Güte, einen Entschluß zu fassen, dann bringe ich ihn her. Er wird ja nicht umsonst fahren ...«
»Selbstredend nicht«, bestätigte Oblomow.
»Sie werden so freundlich sein, ihm die Reisekosten und die täglichen Ausgaben zu ersetzen und dann nach Erledigung der Angelegenheit nach Übereinkommen eine Vergütung zu bestimmen. Dann fährt er schon hin!«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar; Sie werden mich von großen Sorgen befreien«, sagte Oblomow, ihm die Hand reichend. »Wie heißt er? ...«
»Issaj Fomitsch Satortij«, wiederholte Iwan Matwejewitsch, die Hand schnell mit dem Ärmel abwischend, reichte sie für einen Augenblick Oblomow und versteckte sie schnell wieder. »Ich werde morgen mit ihm sprechen und ihn herbringen.«
»Kommen Sie zum Mittagessen, da werden wir alles miteinander besprechen. Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar!« sagte Oblomow, Iwan Matwejewitsch zur Tür begleitend.
Zehntes Kapitel
Am Abend desselben Tages saßen in einem der Zimmer des oberen Stockwerkes eines zweistöckigen Hauses, das mit der einen Seite auf die Straße, in der Oblomow wohnte, und mit der anderen auf den Kai hinausging, Iwan Matwejewitsch und Tarantjew. Es war eine Kneipe, vor deren Tür stets zwei, drei leere Droschken standen, während die Kutscher im Parterre saßen und aus Untertassen Tee tranken. Das obere Stockwerk war für die »Herrschaften« der Wiborgskajastraße bestimmt. Vor Iwan Matwejewitsch und Tarantjew stand Tee und eine Flasche Rum.
»Das ist echter Jamaika-Rum«, sagte Iwan Matwejewitsch, sich mit zitternder Hand Rum ins Glas einschenkend, »sei kein Kostverächter, Gevatter.«
»Du mußt aber auch zugeben, daß ich deine Bewirtung verdient habe«, gab Tarantjew zur Antwort, »das Haus wäre zerfallen, bevor du einen solchen Mieter gefunden hättest.«
»Das ist wahr«, gab Iwan Matwejewitsch zu. »Und wenn unsere Sache zustande kommt und Satjortij aufs Gut fährt, werde ich mich wieder erkenntlich erweisen!«
»Du bist aber geizig, Gevatter; man muß mit dir handeln«, sprach Tarantjew, »fünfzig Rubel für einen solchen Mieter!«
»Ich fürchte mich, er droht auszuziehen«, bemerkte Iwan Matwejewitsch.
»Ach du, und du willst dich auf solche Dinge verstehen? Wohin soll er ziehen? Er wird sich jetzt nicht einmal fortjagen lassen.«
»Und die Hochzeit? Man sagt, daß er heiratet.«
Tarantjew lachte laut.
»Er heiratet! Willst du wetten, daß er nicht heiratet?« entgegnete er, »ihm hilft Sachar sogar einschlafen, und er soll heiraten! Bis jetzt habe ich ihn immer mit Wohltaten überhäuft; ohne mich, Bruder, wäre er schon längst Hungers gestorben oder ins Gefängnis gekommen. Wenn der Wachmann gekommen ist oder der Hausherr etwas gefragt hat, hat er ja keinen Finger gerührt. Alles habe ich machen müssen! Er versteht nichts ...«
»Nein, gar nichts! Er sagt: ich weiß nicht, was im Kreisgericht gemacht wird, auch nicht, was im Departement vorgeht; er weiß nicht, was er für Bauern hat. Ein kluger Kopf! Ich habe lachen müssen ...«
»Und der Kontrakt, was für einen Kontrakt wir abgeschlossen haben!« prahlte Tarantjew. »Du verstehst dich darauf, Papiere zu schreiben, Iwan Matwejewitsch, bei Gott, du verstehst dich darauf! Ich muß dabei an meinen seligen Vater denken; auch ich war nicht ungeschickt, ich habe es aber verlernt, es ist wirklich wahr, ich habe es vergessen. Sowie ich mich hinsetze, tränen mir die Augen. Er hat es nicht gelesen und hat seine Unterschrift darunter gekritzelt! Und darin steht das vom Gemüsegarten, von den Ställen und Schuppen ...«
»Ja, Gevatter, solange in Rußland die Tölpel nicht aussterben, welche Papiere, ohne sie zu lesen, unterschreiben, kann unsereiner noch leben. Sonst könnte man es gar nicht mehr aushalten! Wenn man den Alten zuhört, war es früher ganz anders! Was für ein Kapital habe ich mir in den fünfundzwanzig
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