Oblomow
Wendung nehmen, wird man mir das Geld abfordern, und der Name Oblomow, der bis dahin so rein und unantastbar war ...« Nein, um nichts in der Welt! Dann wäre es mit seinem Stolz und seiner Ruhe zu Ende ... nein, nein! Andere leihen sich Geld aus und rackern sich dann ab, schlafen nicht, als hätten sie einen Dämon zu sich hereingelassen. Ja. Schulden sind ein Dämon, ein Teufel, den man nur mit Geld vertreiben kann! Es gibt solche Menschen, die das ganze Leben auf fremde Rechnung verbringen, sich rechts und links alles aneignen und sich nichts daraus machen! Es ist unbegreiflich, wie sie ruhig schlafen und essen können! Schulden! Ihre Folgen waren entweder endlose Arbeit, wie bei einem Zuchthäusler, oder Ehrlosigkeit. Das Gut verpfänden? War das denn nicht dieselbe Schuld, nur eine unaufschiebbare und erbarmungslose? Dann muß man jedes Jahr zahlen, so daß nichts zum Leben übrigbleibt. Das Glück war um ein ganzes Jahr fortgerückt! Oblomow stöhnte schmerzlich auf und warf sich aufs Bett; doch dann kam er plötzlich zur Besinnung und stand auf. Und was hatte Oljga ihm gesagt? Sie hatte vorausgesetzt, daß er ein Mann sei, und hatte sich seinen Kräften anvertraut? Sie erwartet, daß er vorwärtsschreiten und eine Höhe erreichen wird, von wo aus er ihr die Hand hinstrecken, sie mit sich führen und ihr den Weg zeigen kann! Ja, ja! Aber womit sollte er beginnen? Er dachte und dachte, schlug sich dann mit der Hand auf die Stirn und ging in das Zimmer der Hausfrau.
»Ist Ihr Bruder zu Hause?« fragte er die Hausfrau.
»Ja, er schläft aber schon.«
»Also bitten Sie ihn, morgen zu mir zu kommen«, sagte Oblomow, »ich muß ihn sprechen.«
Neuntes Kapitel
Der Bruder trat wieder ebenso bescheiden ins Zimmer, setzte sich ebenso vorsichtig auf einen Sessel und wartete, was Ilja Iljitsch sagen würde.
»Ich habe von dem Gut einen sehr unangenehmen Brief als Antwort auf die hingeschickte Vollmacht bekommen, wissen Sie noch?« sagte Oblomow, »haben Sie die Güte, ihn zu lesen.«
Iwan Matwejewitsch ergriff den Brief, überflog mit getrübten Augen die Zeilen, und der Brief zitterte leicht in seinen Fingern. Nachdem er den Brief gelesen hatte, legte er ihn auf den Tisch und versteckte die Hände auf dem Rücken.
»Was glauben Sie, daß man jetzt tun soll?« fragte Oblomow.
»Man rät Ihnen, hinzufahren«, sagte Iwan Matwejewitsch. »Tausendzweihundert Werst sind nicht etwas gar so Arges! In einer Woche wird der Weg schon gut sein, da können Sie hinfahren.«
»Ich bin das Reisen gar nicht mehr gewohnt; im Winter hinzureisen wäre mir, offen gesagt, schwer und unangenehm ... Außerdem ist das Alleinsein auf dem Gut sehr langweilig.«
»Und haben Sie viele Bauern?« fragte Iwan Matwejewitsch.
»Ja ... ich weiß nicht; ich war schon lange nicht auf dem Gute.«
»Das müßte man wissen, sonst kann man nichts machen ... und kann keine Erkundigungen darüber einziehen, wieviel das Gut Ihnen trägt.«
»Ja, das müßte man«, wiederholte Oblomow, »der Nachbar schreibt das auch; aber jetzt beginnt schon der Winter.«
»Und wie haben Sie die Abgaben verteilt?«
»Abgaben? Ich glaube ... gedulden Sie sich ein wenig, ich habe irgendwo eine Liste gehabt; Stolz hat sie mir einmal aufgestellt, es ist aber schwer, sie zu finden; Sachar hat sie gewiß irgendwo hingesteckt. Ich zeige sie Ihnen später ... ich glaube, es waren dreißig Rubel per Hof.«
»Wie sind denn Ihre Bauern? Wie leben sie?« fragte Iwan Matwejewitsch. »Sind sie reich oder arm? Wie hoch sind denn die Abgaben?«
»Hören Sie«, sagte Oblomow, an ihn herantretend und ihn zutraulich am Uniformrock fassend. Iwan Matwejewitsch erhob sich schnell, doch Oblomow ließ ihn sich wieder niedersetzen. »Hören Sie«, wiederholte er langsam, fast flüsternd, »ich weiß nicht, wie hoch die Abgaben sind, was die Landwirtschaft ist, was ein reicher und ein armer Bauer ist; ich weiß nicht, was eine Tschetwert Roggen oder Hafer bedeutet, was in welchem Monat gesät und geschnitten wird und wie und wann verkauft wird; ich weiß nicht, ob ich reich oder arm bin, ob ich in einem Jahre satt oder ein Bettler bin – ich weiß nichts!« schloß er traurig, den Rock loslassend und von Iwan Matwejewitsch zurücktretend, »also sprechen Sie mit mir und raten Sie mir wie einem Kind ...«
»Wie kann ich das denn, ich muß doch alles wissen, sonst kann ich nichts raten«, sagte Iwan Matwejewitsch mit sanftem Lächeln, erhob sich und legte die eine Hand hinter den Brustlatz
Weitere Kostenlose Bücher