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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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Minute verändern kann! Und dort auf dem Gut wird er mit dem Bevollmächtigten die Abgaben verteilen; ja, und dann schreibt er an Stolz; dieser wird ihm das nötige Geld geben, er wird herkommen und Oblomowka auf die erdenklich beste Weise einrichten; er wird überall Straßen bahnen, Brücken bauen und Schulen einrichten ... Und er wird mit Oljga dort leben! ... O Gott! Da war es ja, das Glück! Daß ihm das alles nicht früher eingefallen war!
    Es wurde ihm plötzlich so leicht und froh ums Herz; er begann aus einer Ecke in die andere zu gehen, schnalzte sogar leise mit den Fingern, schrie vor Freude fast auf, trat an Oljgas Tür heran und rief sie leise mit fröhlicher Stimme:
    »Oljga, Oljga! Was ich Ihnen mitzuteilen habe«, sagte er, die Lippen an die Tür haltend, »das erwarten Sie keinesfalls zu hören ...«
    Er beschloß sogar, jetzt noch nicht von ihr fortzugehen, sondern auf die Tante zu warten. »Wir werden ihr noch heute alles sagen, und ich werde von hier als Bräutigam fortgehen ...«
    Die Tür öffnete sich leise, und darin erschien Oljga; er blickte sie an, und ihm sank plötzlich der Mut; seine Freude entschwand; Oljga erschien ein wenig gealtert. Sie war bleich, doch ihre Augen leuchteten; in den zusammengepreßten Lippen, in jedem Zug zitterte gespanntes, innerliches Leben, das mit gewaltsamer Ruhe und Unbeweglichkeit wie mit Eis gefesselt war. Er las in ihrem Blick einen Entschluß, er wußte noch nicht, was für einen, aber das Herz klopfte ihm wie noch nie. Solche Augenblicke waren in seinem Leben noch nicht vorgekommen.
    »Höre, Oljga! Sieh mich nicht so an. Mir wird angst!« sagte er. »Ich habe mir alles überlegt. Man muß die Sache ganz anders einrichten ...« fuhr er fort, die Stimme immer mehr senkend, sich unterbrechend und in diesen ihm neuen Ausdruck ihrer Augen, Lippen und beredten Brauen einzudringen versuchend. »Ich habe beschlossen, mit dem Bevollmächtigten zusammen auf das Gut zu reisen ... um dort ...« schloß er kaum hörbar.
    Sie schwieg und blickte ihn starr wie ein Gespenst an. Er ahnte dunkel, welchen Urteilsspruch er zu erwarten hatte, griff nach seinem Hut, zögerte aber, sie zu fragen. Er fürchtete sich, den verhängnisvollen und vielleicht unwiderruflichen Entschluß zu hören. Endlich beherrschte er sich.
    »Habe ich recht verstanden? ...« fragte er sie mit veränderter Stimme.
    Sie nickte langsam und sanft mit dem Kopf, als Zeichen der Zustimmung.
    Er hatte ihren Gedanken zwar schon erraten; er erbleichte aber und blieb vor ihr stehen. Sie war etwas ermattet, erschien aber so ruhig und reglos wie eine steinerne Statue. Das war jene übernatürliche Ruhe, wenn ein fester Vorsatz oder ein verletztes Gefühl dem Menschen plötzlich die ganze Kraft gibt, sich an sich zu halten, aber nur für einen Augenblick. Sie erinnerte an einen Verwundeten, der die Wunde mit der Hand zudrückt, um das Nötigste zu Ende zu sprechen und dann zu sterben.
    »Du wirst mich hassen?« fragte er.
    »Wofür?« sagte sie leise.
    »Für alles, was ich mit dir getan habe ...«
    »Was hast du getan?«
    »Ich habe dich geliebt. Das ist eine Beleidigung.«
    Sie lächelte mitleidig.
    »Dafür«, sagte er mit gesenktem Kopf, »daß du dich geirrt hast ... Vielleicht wirst du mir verzeihen, wenn du dich daran erinnerst, daß ich dich gewarnt habe, du würdest dich schämen und bereuen ...«
    »Ich bereue nicht. Mir ist nur so weh, so weh ums Herz ...« sagte sie und hielt inne, um Atem zu holen.
    »Um so schlimmer für mich!« antwortete Oblomow. »Doch ich habe es verdient. Warum quälst du dich aber so?«
    »Ich war zu stolz«, sagte sie, »ich bin gestraft, ich habe von meiner Kraft zuviel erwartet – das war mein Irrtum, nicht das, was du gefürchtet hast. Ich habe nicht von der ersten Jugend und von Schönheit geträumt, ich dachte, ich würde dich beleben, du würdest noch für mich leben können – und du bist schon längst gestorben. – Ich habe diesen Irrtum nicht vorausgesehen, ich habe immer gewartet und gehofft ... und jetzt! ...« sprach sie seufzend und mit Mühe zu Ende.
    Sie schwieg und setzte sich.
    »Ich kann nicht stehen; meine Beine zittern mir. Ein Stein würde bei dem, was ich getan habe, lebendig werden«, sprach sie mit zerschlagener Stimme weiter. »Jetzt mache ich nichts mehr, keinen Schritt, ich gehe nicht einmal mehr in den Sommergarten. Es ist alles umsonst – du bist gestorben! Du stimmst mir bei, Ilja?« fügte sie dann nach einem Schweigen hinzu. »Du wirst

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