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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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wechselten in ihm immer ab. Wenn sie liebte, warum war sie dann so vorsichtig, so verschlossen? Wenn sie nicht liebte, warum war sie so freundlich und gehorsam? Er fuhr für eine Woche aus Paris nach London und teilte ihr das am Tage der Abreise mit, ohne ihr vorher etwas davon gesagt zu haben. Wenn sie plötzlich erschrocken wäre und die Farbe gewechselt hätte, dann wäre er seiner Sache sicher gewesen, das Geheimnis hätte vor ihm offen gelegen und er wäre glücklich gewesen! Sie drückte ihm aber fest die Hand und wurde traurig; er war verzweifelt.
    »Ich werde mich schrecklich langweilen«, sagte sie, »ich möchte weinen, ich bin jetzt wie eine Waise. Ma tante, schauen Sie, Andrej Iwanowitsch verreist!« fügte sie weinerlich hinzu.
    Er war ganz verstimmt.
    Sie wendet sich sogar an die Tante! dachte er, das hatte noch gefehlt! Ich sehe, daß es ihr leid tut, daß sie mich vielleicht lieb hat ... Aber diese Liebe kann man wie Ware auf dem Markte, in soundso viel Zeit, für eine gewisse Aufmerksamkeit und Liebenswürdigkeit kaufen ... Ich kehre nicht zurück, dachte er düster. Ich danke schön, Oljga, dieses Mädchen, das mir sonst immer wie am Schnürchen folgte. Was ist mit ihr?
    Er versenkte sich in tiefes Sinnen. Was war mit ihr? Ihm war das eine Detail unbekannt, daß sie schon einmal geliebt hatte und daß die Zeit, da man sich nicht beherrschen kann, da man plötzlich errötet, da man den Schmerz im Herzen schlecht verbergen kann, da man die fieberhaften Anzeichen der Liebe in ihrem ersten leidenschaftlichen Stadium äußert, für sie schon vorüber war. Wenn er das gewußt hätte, würde er sich, wenn nicht das Geheimnis, ob sie ihn liebte oder nicht, so doch wenigstens die Ursache, warum sie so schwer zu ergründen war, klargemacht haben.
    In der Schweiz waren sie überall, wohin die Vergnügungsreisenden hinzukommen pflegen. Sie hielten sich aber am liebsten und häufigsten in den stillen Orten auf, die wenig besucht wurden. Sie (oder wenigstens Stolz) waren von ihren eigenen Angelegenheiten so in Anspruch genommen, daß das Reisen sie ermüdete und in den Hintergrund geschoben wurde. Er ging mit ihr auf die Berge, sah sich die Abstürze und Wasserfälle an, und sie war für ihn in jedem Rahmen der Mittelpunkt. Er folgte ihr über irgendeinen schmalen Pfad, während die Tante unten im Wagen saß; er beobachtete sie mit heimlicher Spannung, wenn sie stehenblieb, nachdem sie den Berg erklommen hatte, Atem holte und immer zuerst ihn anblickte; er hatte diese Überzeugung gewonnen. Das wäre sehr schön gewesen; ihm wurde dabei warm und wohl ums Herz, doch dann wandte sie sich plötzlich der Landschaft zu, erstarrte, vergaß sich in einem beschaulichen Hindämmern und sah ihn nicht mehr. Sowie er sich bewegte, ein Lebenszeichen von sich gab oder ein Wort sprach, erschrak sie und schrie manchmal auf; es war klar, daß sie vergessen hatte, ob er in der Nähe oder weit entfernt, ja, ob er überhaupt auf der Welt war. Aber dafür zu Hause, am Fenster, auf dem Balkon, sprach sie lange mit ihm allein, suchte lange aus ihrer Seele die empfangenen Eindrücke hervor, bis sie sich ganz ausgesprochen hatte; sie sprach eifrig und leidenschaftlich, unterbrach sich manchmal, suchte nach einem Wort und fing den von ihm vorgesagten Ausdruck im Fluge auf, und in ihrem Blick leuchtete ein Strahl von Dankbarkeit für die geleistete Hilfe. Oder sie setzte sich bleich vor Müdigkeit in einen großen Lehnstuhl, und nur ihre gierigen, unermüdlichen Augen sagten ihm, daß sie ihm zuhören wollte.
    Sie hörte regungslos zu, ohne ein Wort oder eine Bewegung zu verlieren. Wenn er schwieg, hörte sie noch zu, die Augen fragten noch, und er beantwortete diese stumme Herausforderung mit neuer Kraft und neuer Begeisterung. Auch das wäre gut gewesen; es wurde ihm warm und wohl, und das Herz klopfte, sie lebte in seiner Anwesenheit auf und brauchte nichts mehr; hier war ihre Welt, in der ihr Verstand sich befriedigt fühlte. Und dann erhob sie sich plötzlich ermüdet, und dieselben Augen, die ihn soeben fragend angeblickt hatten, baten ihn fortzugehen, oder sie war hungrig, und das mit solchem Appetit ...
    Das wäre alles sehr schön gewesen; er war kein Träumer; er wollte keine wilde Leidenschaft, wie auch Oblomow sie sich nicht gewünscht hatte, aber aus anderen Gründen. Er wollte aber doch, daß das Gefühl in einem ruhigen Geleise dahinfloß, nachdem es einmal an der Quelle heiß aufgewallt war, so daß man daraus schöpfen und

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