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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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wärmer, tiefer und dankbarer wurde er.
    Oljga, dieses Kind, wächst mir über den Kopf! dachte er erstaunt.
    Er dachte über Oljga so viel nach, wie er noch nie über etwas nachgedacht hatte.
    Im Frühjahr reisten sie alle in die Schweiz. Stolz hatte noch in Paris eingesehen, er könne von nun an nicht mehr ohne Oljga leben. Nachdem er diese Frage gelöst hatte, begann er zu überlegen, ob Oljga ohne ihn leben könne. Doch diese Frage war nicht so leicht zu beantworten. Er nahm sie langsam, allmählich und vorsichtig in Angriff, ging bald tastend, bald kühn vorwärts und glaubte sich schon nahe am Ziele, er mußte nur noch ein unzweifelhaftes Symptom, einen Blick, ein Wort, eine Regung der Langeweile oder der Freude erhaschen; es fehlte ihm noch eine kleine Linie, eine kaum merkliche Bewegung von Oljgas Augenbrauen, ein Seufzer, und morgen würde das Geheimnis gelöst werden! Er wurde geliebt! Auf ihrem Gesichte las er ein kindliches Vertrauen zu ihm; sie blickte ihn manchmal so an, wie sie es sonst niemand gegenüber tat und wie sie nur eine Mutter anblicken würde, wenn sie eine hätte. Sein Kommen, der Umstand, daß er ihr seine freie Zeit und ganze Tage widmete, wurde von ihr nicht als ein Gefallen, als eine schmeichelhafte Äußerung von Liebe und als eine Liebenswürdigkeit, sondern einfach als eine Pflicht angesehen, als wäre er ihr Bruder, ihr Vater und sogar ihr Gatte; und das war viel, das war alles. Sie war mit ihm in jeder Äußerung und jedem Schritte so offen und aufrichtig, als ob seine Worte für sie eine unbestreitbare Bedeutung hätten und sie seine Autorität anerkannte. Er wußte auch, daß er diese Autorität besaß; sie bestätigte das jeden Augenblick, sagte, daß sie nur ihm glaubte und sich im Leben auf ihn allein und sonst auf niemand blind verlassen könnte. Das machte ihn natürlich stolz, doch darauf hätte ja auch irgendein älterer, kluger und erfahrener Onkel und sogar der Baron stolz sein können, wenn er ein Mensch von tiefem Verstande und von Charakter gewesen wäre. Es blieb aber eine ungelöste Frage, ob das ein Symptom von Liebe war! Gesellte sich diesem Glauben an die Autorität ein wenig von dem berückenden Selbstbetrug, von jener schmeichelhaften Verblendung hinzu, bei der die Frau bereit ist, sich auf eine grausame Weise zu irren und durch diesen Irrtum glücklich zu sein? ... Nein, sie fügte sich ihm so bewußt. Es ist wahr, ihre Augen leuchteten, wenn er ihr irgendeinen Gedanken entwickelte oder seine Seele vor ihr bloßlegte; sie überflutete ihn mit den Strahlen ihres Blickes, aber man sah stets die Ursache. Und in der Liebe wird ein Verdienst blind und unbewußt anerkannt, und gerade in dieser Blindheit und Unbewegtheit liegt das Glück. Wenn sie gekränkt war, sah man gleich den Grund. Er ertappte sie nie auf einem plötzlichen Erröten, auf einer Freude oder Angst und fing niemals einen sehnsuchtsvollen oder flammenden Blick bei ihr auf, und wenn er irgend etwas Ähnliches zu erhaschen glaubte, wenn es ihm schien, ihr Gesicht hätte sich vor Schmerz verzerrt, als er ihr sagte, er würde nächstens nach Italien reisen, wenn sein Herz in diesen ihm teuren, seltenen Augenblicken zu erstarren und sich mit Blut zu füllen begann, verhüllte sich alles wieder in einen Schleier, und sie fügte naiv und offen hinzu: »Wie schade, daß ich mit Ihnen nicht hinreisen kann, ich hätte so große Lust! Sie werden mir aber alles erzählen und so wiedergeben, als ob ich selbst dort gewesen wäre.«
    Und der Zauber wurde durch diesen offenen, vor ihm nicht verheimlichten Wunsch und durch dieses förmliche, banale Lob für sein Erzählertalent zerstört. Sowie er die kleinsten Züge gesammelt hatte, sowie es ihm gelungen war, das feine Gewebe fertigzustellen und ihm nur mehr irgendeine Masche fehlte, die er jetzt gleich haben würde ... wurde sie plötzlich wieder ruhig, gleichmäßig, einfach und manchmal sogar kalt. Sie saß mit ihrer Handarbeit schweigend da, hörte zu, indem sie ab und zu den Kopf hob und auf ihn so neugierige, fragende und sachliche Blicke richtete, daß er mehr als einmal ärgerlich das Buch fortwarf oder irgendeine Erklärung abbrach, aufsprang und fortging. Wenn er sich umwandte, begegnete er ihrem erstaunten Blick und kehrte um, nachdem er sich irgend etwas zu seiner Entschuldigung ausgedacht hatte. Sie hörte einfach zu und glaubte ihm. Sie hatte nicht einmal einen Zweifel oder ein schelmisches Lächeln. Liebt sie oder liebt sie nicht? Diese zwei Fragen

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