Obsession (German Edition)
über den Weg traue, aber wohler wäre mir schon, wenn er zur Abwechselung mal etwas langsamer fahren könnte. Ich möchte meiner Tante nämlich noch nicht allzu bald Gesellschaft leisten.
»Der Typ ist übrigens schon tot«, bemerke ich ironisch.
Shahin sieht mich kurz an. »Hm?« – »Du brauchst dich nicht mehr so zu beeilen. Den kannst du eh nicht mehr retten.« Den nicht. Jetzt grinst Shahin tatsächlich, auch wenn das Grinsen seine Augen nicht erreicht. Der Mann hat Nerven.
»Du hast doch nicht etwa Angst?«, provoziert er mich. Nicht, dass ich das zugeben würde, jedenfalls nicht ohne Weiteres. Außerdem ... haha, wer hat hier wohl Angst, Baby? Oder besser: irrationale Ängste. Ich sag nur »Froschschenkel«! Woher hat er nur diesen seltsamen Humor? – Ich verkneife mir eine bissige Antwort auf seine Frage, auch wenn’s mir schwerfällt. Es kommt sicher eine passende Gelegenheit zur Rache, mein Schatz. Ganz sicher.
Wir rasen also weiter über die dunkle Autobahn. Zum Glück ist so gut wie kein Verkehr. Und da Shahin offensichtlich nicht wirklich auf eine Antwort wartet, will ich ihn eigentlich auch nicht noch einmal ansprechen, soll er sich doch lieber auf die Fahrbahn konzentrieren. Oder ist er zickig, weil ich eben so ruppig mit ihm umgesprungen bin? Derweil kommen wir dem Blitzer immer näher. Verdammt, Shahin kennt sich doch hier aus?! Wir haben doch vorhin noch über den Idioten gelacht, der genau an dieser Stelle geblitzt worden ist!
»Ähm, Shahin ...«, versuche ich ihn noch darauf aufmerksam zu machen. Doch dann wird mir klar, dass er das Tempo in der kurzen Zeit gar nicht mehr zurückschrauben kann, ohne den Wagen in die Leitplanke zu rammen, und ich verstumme mitten im Satz. Wir sind wirklich höllisch schnell. Ich stemme sicherheitshalber meine Beine in den Fußraum des Wagens. Nicht, dass es etwas nutzen würde, aber ich fühle mich ein wenig sicherer. Okay, beschließe ich, dann werde ich eben ganz brav lächeln, extra fürs Foto. In genau diesem Moment sehe ich das rote Licht des Starenkastens direkt vor uns aufblitzen. Aber – es ist noch viel zu weit entfernt. Kann das denn sein? Ich meine, neben uns fährt niemand! Ich starre in das rote Lämpchen, das einfach an zu sein scheint, wie eine Schreibtischlampe, die jemand vergessen hat. Faktisch ist das kein Blitz, sondern ein gleichmäßiges Leuchten. Und es dauert verdammt noch mal zu lange! Ich bin schon öfter geblitzt worden, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Erstaunt über diesen Defekt sehe ich zu Shahin, dessen Gesicht wie versteinert wirkt. Hat er das denn gar nicht gesehen? Und warum sagt er nichts? Shahin?
14
Shahin
Was erwartet er? Dass ich so tue, als wäre alles in Ordnung? Klar, ich stehe drauf ... oder was auch immer sich Brix dabei gedacht haben mag, als er mich an den Haaren durchs Gebüsch gezerrt hat und mir auf der Motorhaube unseres Autos die unbequemste Nummer seit Langem, eigentlich zum ersten Mal überhaupt, verpasst hat. Es ist nicht so wie bei unserem allerersten Mal, ich fühle mich nicht benutzt oder gedemütigt, jedenfalls nicht auf diese Art, aber ... er hat mir wehgetan. Er hat mir eigentlich noch nie wehgetan. Warum also heute?
Klar, ich konnte mich entspannen. Und rein physisch hat es dann auch Spaß gemacht, zumindest ein bisschen, gegen Schluss. Um genau zu sein, es hat dem Körper Spaß gemacht. Der Geist aber sitzt in seiner Hülle und ist froh, einen guten Grund zu haben, nicht mit Brix reden zu müssen. Der Geist an sich zuckt bei jeder Handbewegung von Brix zusammen, und auch wenn die Vernunft dem Geist sagt, dass ich ihn trotzdem sehr liebe, ist der Geist doch etwas verschreckt. Darüber werden wir noch reden, beschließe ich. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen die härtere Gangart einzuwenden hätte, aber dann würde ich gerne wenigstens bestimmen, wann mir danach ist und wann nicht. Mir wäre heute einfach »nur« nach Kuscheln und Zärtlichkeiten, nach Nähe gewesen. Die Frösche haben mir nämlich schon völlig ausgereicht, um mich an den Rand meiner nervlichen Contenance zu bringen. Die Tatsache, dass wir jetzt ins »Addiction« fahren, um eine Leiche, die vor der Tür gesessen hat, in Augenschein zu nehmen, und noch größeren Schaden vom Geschäft abzuwenden, trägt auch nicht wirklich zu meiner seelischen Erleichterung bei. Ein Küchenbeil im Kopf legt außerdem den Verdacht nahe, dass es sich nicht um ein Versehen handelt – und dass die Polizei mit ihrem
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