Obsession (German Edition)
wie ein Lauffeuer verbreitet hat und die sich zu einem großen Teil im »Little Add« versammelt haben, um aus nächster Nähe mitzubekommen, was sich tut. Fabrice und Vincent kommen direkt auf uns zu. Natürlich sucht Fabrice meine Nähe, aber ich bin nicht blind ... ich sehe die schüchternen Blicke, die er Brix immer und immer wieder zuwirft, wenn er glaubt, dass es niemand mitbekommt, sehr genau. Wie ein Teenager, der sein Idol zufällig trifft, mustert Fabrice Brix immer wieder verstohlen. Interessanter Aspekt, muss ich zugeben. Wir verweilen allerdings nur einen Moment und hören den eifrigen Diskussionen der anderen zu, die sehr ausgiebig über das Geschehene konferieren. Das Einzige, was mir als wirklich wichtig auffällt, ist die Information, es habe sich bei dem Toten um einen in Frankfurt bekannten Callboy gehandelt. Das ist neu. Und auffällig, denn der Tote im Hotel war ja bekanntlich auch käuflich. Zufall ... oder doch nicht? Und wie passt das möglicherweise damit zusammen, dass vor ein paar Tagen der Betreiber vom »Key Club« im »Addiction« gewesen ist und nach zwei Jungs gefragt hat, die wohl ziemlich unverhofft und unter Zurücklassung ihrer Pässe und sämtlicher Habseligkeiten verschwunden sind??? Mir schwant Übles.
Und nun werden wir uns möglichst unauffällig mit den polizeilichen Ermittlungen befassen.
15
Die Gestalt in dunkler Kutte kniet auf dem Boden der Krypta. Außer dem Licht zweier Fackeln an der Wand und dem Funkeln der Glut in dem großen Kohlebecken in der Mitte des Raumes ist es dunkel. »Dunkler Vater«, betet er erst murmelnd, dann lauter werdend. »Dunkler Vater, erhöre mich.«
Für einen winzigen Moment erlöschen die Fackeln im Raum. Der Mann, der die Kutte trägt, verstummt, kniet noch tiefer, bis er mit der Stirn den Boden berührt.
»Dunkler Vater«, wispert er. »Nur noch drei, dann ist es vollbracht. Nur noch drei, dann werdet Ihr dem Sieg wieder ein Stück näher gekommen sein. Das alte Ritual ist fast vollendet. Nehmt mein Opfer als bescheidenen Gabe, und labt Euch an dem Leid des Knaben.« Er hält einen Moment inne, erhebt sich dann mit gesenktem Kopf, geht um das Kohlebecken herum und entzündet mit einem Glimmstab das Feuer in dessen Mitte. Dabei hat er den Gashahn aufgedreht, und aus einem scheinbaren Kohlebecken wird ein Feuerkessel. Nun verbrennen auch die Kohlereste im Inneren des Beckens in den Flammen, die in der Mitte bläulich – also besonders heiß – und nach außen hin gelber beziehungsweise orangefarbener werden, so wie man Feuer normalerweise kennt.
Auf seinen Wink hin schleppt eine schmale, in einen Kapuzenmantel gehüllte Gestalt, einen an beiden Händen und Füßen gefesselte Gestalt herbei. Es ist ein junger Mann, der apathisch vor sich hinstarrt. Die Drogen, die man ihm gegeben hat, stellen ihn so ruhig, dass er von dem Folgenden nur wenig mitbekommen wird. Unter rituellen Beschwörungsformeln, die der erste Kuttenträger murmelt, werfen sie den Gefesselten mitten in das Feuerbecken und sehen zu, wie sein Körper von den Flammen verzehrt wird.
Als der bedrohliche Geruch von verbranntem Menschenfleisch den Raum erfüllt, verfällt der Kuttenträger, der inzwischen wieder alleine in dem Raum ist, in einen äußerst merkwürdigen Singsang und anschließend in Trance. Er kniet nieder.
»Dunkler Vater«, bettelt er in flehendem Ton, »Vernichter der Feinde, Vater des Chaos, überkommt Eure Feinde mit Euren Plagen und Heimsuchungen und nehmt mein Opfer an.« Dann schweigt er in die Stille, lauscht, ob noch ein anderes Geräusch außer dem Bersten der Knochen im Becken und dem leisen Brüllen des Gasventils zu hören ist. Als nach fast zwei Stunden immer noch nichts geschieht, überkommt den Betenden die Enttäuschung, und er beschließt, sein Ritual fortzusetzen, bis noch mindestens drei weitere Opfer gefunden werden.
Er bemerkt nicht, dass einige Meter hinter ihm ein durchscheinendes Wesen auf drei Beinen steht und ihn beobachtet. Die Augen des wolfsartigen Tiers, dem ein Bein fehlt, sind traurig auf den Betenden gerichtet, und wenn man ganz genau hingeschaut hätte, wäre dem Betrachter sicher auch das leise, Unverständnis demonstrierende Kopfschütteln des Tiers aufgefallen, bevor es wieder verblasst und nach Hause zurückkehrt.
16
Lars grinst und stößt Sven mit dem Ellenbogen an der Hüfte an. »Sieht aus, als hätten der süße Kellner und dieser Mendelssohn tatsächlich was miteinander.«
Beide sind inzwischen
Weitere Kostenlose Bücher