Obsession (German Edition)
deutlich. Auch wenn ich weiß, dass auf Dauer sowieso kein anderer Chancen bei Brix hat – dazu bin ich nämlich viel zu schön, und Brix ist viel zu scharf auf mich, um mich wegzuwerfen – so möchte ich doch klargestellt sehen, dass ich zumindest gewisse Ansprüche auf ihn habe.
Fabrice schaut mich aus seinen großen Kulleraugen an. »Danke«, sagt er.
»Für was?«, frage ich lächelnd.
»Dafür, dass du mir nicht böse bist«, antwortet er mir. »Wenn er mich noch einmal will, werde ich es genießen.« Er schlägt die Decke zurück, unter der er bis auf seine Shorts nackt ist, steht auf, setzt sich zu mir auf die Couch und schlüpft unter meine Decke, kuschelt sich an mich. »Später«, flüstert er. »Wenn ich mich wieder bewegen kann.«
Dann umarmt er mich, bettet seinen Kopf an meine Brust, als wäre ich ein Teddybär, und schließt die Augen. Was wird das jetzt? Einschlafhilfe Modell Shahin? Schlaftablettenersatz? Ich schlucke meinen Unmut, streichele ihm mit einer Hand lächelnd übers Haar und lege meine Wange auf seinen Kopf, vermittele ihm Geborgenheit und Schutz. Dann schlafe auch ich noch einmal ein.
22
Shahin
Wach werde ich vom Duft des Kaffees und der frischen Brötchen, der in meine Nase zieht und mich ganz behutsam wachkitzelt. Ich öffne die Augen und bin alleine. Als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass ich im Wintergarten auf dem Kuschelsofa liege und wohl ausgesprochen unruhig geschlafen haben muss, warum sonst habe ich die zwölf Kissen, auf denen ich für gewöhnlich schlafe, mit den Beinen an das Fußende des Sofas befördert und auf meinem zusammengefalteten Arm geruht? Aber immerhin, ich fühle mich eigentlich ganz gut.
In der Küche sitzen Fabrice und Brix beim Frühstück. Auf dem Tisch steht eine Kanne Kaffee, Käse, Salami, Brötchen und sogar gekochte Eier. Scheint, als hätte Brix endlich verstanden, wie man den Eierkocher bedient.
»Guten Morgen«, begrüßen beide mich unisono. Fabrice macht immer noch einen zerknautschten Eindruck. Ich setze mich an die Stirnseite des Tischs in unserer Küche, nehme das noch warme Ei in die Hand und beäuge es misstrauisch.
»Das Ei ist in Ordnung«, wirft Fabrice ein. »Ich habe sie gekocht«, fügt er hinzu, und ich muss Brix einfach demonstrativ angrinsen. So, mein Schatz, jetzt ist die Welt wieder in Ordnung, zumindest für den Moment.
So in Ordnung, dass es mir gar nicht auffällt, dass ich Kaffee trinke, statt Tee. Dafür fallen mir die Blicke auf, die Fabrice Brix zuwirft. Der reagiert verwirrt, sucht meinen Blick und scheint mich zu fragen, was er denn tun soll. Ich lächele ihn ermutigend an und frühstücke weiter.
»Ich muss noch telefonieren«, kündige ich dann an, und ziehe mich ins Arbeitszimmer zurück. In den Raum, in dem wir unsere »Addiction«-Unterlagen aufbewahren, in dem unsere Computer stehen und in dem es außer dem Fax noch einen zweiten Telefonanschluss gibt, der nicht im Telefonbuch steht. Die Anschlüsse in unserer sonstigen Wohnung sind Teile der Telefonanlage des »Addiction« und über Nebenstellen geschaltet, sodass wir eine eigene Durchwahl besitzen. Das Telefon im Arbeitszimmer ist allerdings unser privater DSL-Anschluss, und genau diesen nutze ich jetzt, um Horst Schmeling anzurufen.
Wir plaudern einen Moment über alte Zeiten, und dann lässt Horst die Bombe platzen: »Ich hätte dich sowieso die nächsten Tage angerufen, Shahin. Diese Morde in Frankfurt sind nämlich allesamt Morde an Strichern und sonstigen Menschen, die keiner vermisst.«
Ich schlucke. Das würde also bedeuten, dass jemand planmäßig die Leute aus dem Weg räumt, bei denen nicht oder nicht so schnell auffällt, dass sie nicht mehr da sind. Aber zu welchem Zweck? Welchen Sinn hat das?
»Wir nehmen an«, fährt Schmeling fort, »... dass die bisherigen Morde – und die, von denen du weißt, sind längst nicht alle in den letzten vier Wochen – alle einen okkultistischen Hintergrund haben. Nur die Stricher sind neu, denn bisher waren die Obdachlosen an der Reihe. Acht Stück, alle bestialisch ermordet, einer verbrannt. Ich fax dir das mal. Und den Obduktionsbericht des Jungen aus dem Hotel Gabriel. Außerdem sind in Frankfurt zwei Callboys als vermisst gemeldet worden.«
Mhm.
»Das weiß ich«, sage ich, und werde sehr, sehr nachdenklich.
»Außerdem haben Zeugen übereinstimmend berichtet, dass die verschwundenen Stricher und der Ermordete aus dem Hotel ein Date mit irgendeinem hässlichen Typen hatten – immer
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