Obsession (German Edition)
gedankenverloren fünfzig Cent für die Zeitung auf den Tresen und laufe zurück zum Auto, wo ich als Erstes die Zeitung ausfalte und die Schlagzeile noch einmal lese: »Mord an deutschem Industriellen«. Untertitel: »Ferdinand X. tot in seinem Pool in Nordspanien aufgefunden. Safe ist leer. Wo sind die sechzig Millionen Euro???«
Ich ignoriere das Hupen des Fahrers hinter mir, der ein Problem damit hat, dass ich beginne, den Artikel zu lesen. Plötzlich klopft es neben mir an die Seitenscheibe unseres BMWs, mit dem wir gefahren sind, und ein jüngerer Typ mit Goldkettchen und billiger Rolex-Imitation steht neben uns.
Als ich die Scheibe herunterdrücke, um zu fragen, was er möchte, brüllt er los: »Du schwule Sau, lies deine Zeitung zu Hause, und verpiss dich, damit ich weiterfahren kann!«
Während ich in den Rückspiegel schaue und feststelle, dass mein Hintermann bloß den Rückwärtsgang einlegen muss, um weiterfahren zu können, stupst Sven mich an und löst den Sicherheitsgurt. Ich schaue ihn fragend an.
»Den checken wir«, flüstert Sven mir kaum hörbar zu.
»Was flüstert ihr da, ihr Schwuchteln? Kaffeeklatschen könnt ihr zu Hause, ihr Schwanzlutscher!!!«
Okay, ich glaub, der braucht wirklich ’ne kleine Lektion. Wie in einer Bewegung öffnen Sven und ich die Türen und steigen aus. Sekundenbruchteile später hat Sven seine Pistole über das Autodach in Anschlag und richtet sie auf den Typen neben dem Auto, der die Hände über den Kopf hält, die Augen weit aufgerissen hat und irgendwas von »war doch nicht so gemeint« stammelt. Derweil halte ich ihm meinen Dienstausweis unter die Nase und stelle ihn in der Variante, die man gemeinhin mit »Adler machen« umschreibt, an die Wand, bevor ich ihn nach Waffen und Sonstigem abtaste und ihm die Hosentaschen auf links drehe.
Sven kommt näher und reicht mir seine Handschellen, die ich dem Typen prophylaktisch erst einmal anlege und Sven dann den Inhalt seiner Hosentaschen zum Überprüfen reiche.
Und da erlebe ich, dass Sven ein zweites Mal binnen fünf Minuten durch seine Zähne pfeift. In einem mittelgroßen Plastikbeutel befinden sich vier weitere, kleinere Portionsbeutel aus Plastik, die mit weißem Pulver gefüllt sind. Genau in diesem Moment bremst rechts neben uns ein Streifenwagen sehr abrupt, und zwei Beamte steigen aus, ebenfalls mit entsicherten Waffen, die auf uns gerichtet sind.
»Hände hoch«, ruft einer der beiden Beamten, während beide ihre Pistolen auf Sven und mich gerichtet lassen.
Wir befolgen deren Aufforderung ohne hastige Bewegung, und Sven verdreht die Augen.
»Mein Dienstausweis befindet sich in meiner linken Hemdtasche. Würde einer von ihnen vielleicht mal so freundlich sein, dort nachzusehen?«
Der linke von beiden Polizisten verändert daraufhin seine Position und kommt mit seiner Waffe in der Hand von links auf Sven zu. Bevor er ihm in die Brusttasche greift, richtet er ihm die Pistole in Richtung Kopf. Dann greift er Sven in die Hemdtasche und zieht den Dienstausweis heraus. Er wirft einen Blick darauf und lässt dann die Pistole sinken, steckt sie in die Koppel.
»Okay«, meint er dann. »Ein Kollege?«, fragt er mit einem Blick auf mich.
»Mein Ausweis ist in der rechten Gesäßtasche«, sage ich ruhig, und der unbewaffnete Polizist sieht auch dort nach und nickt dann seinem Kollegen zu, der ebenfalls seine Waffe wegsteckt und zu uns kommt. »Entschuldigung – aber wir wurden über einen bewaffneten Raubüberfall auf einen Fahrzeugführer informiert.«
Sven grinst. »Ja, auf einen Dealer«, sagt er und wirft dem Streifenpolizisten den Beutel mit dem weißen Pulver zu. »Übernehmt ihr das? Wir müssen nämlich zum LKA.«
Die beiden Polizisten übernehmen den Dealer, Sven tauscht seine Handschellen und unsere Namen und Dienststellen mit den Kollegen aus, und dann fahren wir weiter.
»Irgendwie hab ich das gerochen«, wirft Sven nach einer Weile grinsend ein, ohne dass ich ihn danach gefragt habe. »Und außerdem wollte ich ihm die Lektion seines Lebens erteilen ... Shit happens.« Damit ist die Sache dann auch erledigt, und wir fahren zum LKA, ohne noch weiter über den Artikel in der BILD nachzudenken.
Im Büro von Blittersberg treffen wir dann auch direkt auf Karl-Heinz Kaschulke. Beide haben bereits ein Exemplar der BILD-Zeitung vor sich auf dem Tisch. Insofern fühle ich mich mit meiner frisch erworbenen Zeitung etwas deplatziert.
»Ah, ich sehe, sie haben schon Zeitung gelesen, insofern hat sich
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