Obsession
Theater.»
Ihre Finger kneteten ihr Kleid, drückten eine Falte in den Stoff, glätteten ihn dann wieder und begannen von vorn.
«Erst wollte sie nicht darüber sprechen, aber schließlich sagte sie mir, dass sie das Baby in einen Mülleimer in der Nähe
der U-Bahn -Station am Piccadilly gelegt hatte. Ich steckte sie ins Bett und wollte los, aber da war es schon sehr spät. Ich dachte,
ich sollte mir ein paar Stunden Schlaf genehmigen und anschließend sofort zum Piccadilly gehen. Als ich dann später losging,
hat sie noch geschlafen. Ich wollte zurück sein, bevor sie aufwachte, doch als ich zu der U-Bahn -Station kam, konnte ich den richtigen Mülleimer nicht finden. Ich begann, alle zu untersuchen, bis die Straßen voller wurden
und ich aufhören musste. Ich habe nie herausgefunden, wo das Baby war. Da auch in den Zeitungen nie etwas davon stand, nehme
ich an, dass die Müllabfuhr es wohl einfach mitgenommen hat. Mir blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen. Als
ich zurückkam, war Sarah weg. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Polizei konnte ich ja nicht rufen. Ich habe einfach
gewartet und gehofft, dass sie zurückkommt. Aber als sie kam, hatte sie ein Baby dabei.»
Ihr Mundwinkel hob sich zu einem Lächeln. «Sie sah so
glücklich
aus. Als hätte es den Tag davor nie gegeben. Sie sah so aus, wie Sarah aussehen sollte. Ich versuchte aus ihr herauszukriegen,
woher sie das Baby hatte, aber sie schien nicht zu verstehen, wovon ich sprach. Und als ich fragte, wessen Baby es sei, sagte
sie nur: Meins. Ich wollte ihr klarmachen, was sie getan hatte, aber das brachte sie nur durcheinander. Ich hatte Angst, dass
sie wieder in den Zustand |53| zurückfiel, in dem sie vorher war. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Und dann fiel es mir plötzlich ein. Ich musste gar
nichts tun. Sarah war schwanger gewesen, und nun hatte sie ein Baby. Für eine Frühgeburt war es etwas groß, aber nicht so
groß, dass es hätte Probleme geben können.»
Ben konnte nicht mehr an sich halten. «Probleme? Es war nicht ihr Kind! Mein Gott, sie hat es gestohlen!»
Jessica schaute ihn verächtlich an. «Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Zur Polizei gehen?»
«Ja! Ja, du hättest zur Polizei gehen müssen, verdammt nochmal! Bei so einer Sache hätte man keine Anklage erhoben. Man hätte
ihr psychiatrische Hilfe gegeben!»
«Man hätte sie irgendwo weggeschlossen, meinst du? Und du glaubst, das hätte ich zugelassen?»
«Es wäre besser gewesen als das, was du getan hast!» Ihm wurde mit einem Mal klar, dass er auf eine weitere, wesentlich emotionalere
Erklärung gestoßen war. «Wusste sie es? Was sie getan hat, meine ich? War es ihr danach bewusst?»
Jessica hob teilnahmslos ihre Schultern. «Ich weiß es nicht. Vielleicht, ab einem bestimmten Punkt. Ich habe die Artikel aus
der Zeitung ausgeschnitten und in einer Schublade aufbewahrt, aber als ich dort nachgeschaut habe, nachdem sie zurück zu ihren
Eltern gezogen war, waren sie verschwunden. Sie hat nie gesagt, dass sie die Ausschnitte mitgenommen hat, und ich habe sie
nie gefragt.»
Sie schüttelte den Kopf, und zum ersten Mal schien sie eine Art Verteidigungshaltung anzunehmen. Ben glaubte zu verstehen,
warum Jessica die Artikel aufbewahrt hatte. Und warum Sarah nur ungern über ihre Beziehung gesprochen hatte.
Die Frau hatte Sarah an sich binden wollen.
Er bemühte sich nicht mehr, seinen Abscheu zu unterdrücken. |54| «Hast du dir keine Sorgen gemacht, dass man es herausfinden könnte?»
«Wer sollte es denn herausfinden? Ich war eine fast fertig ausgebildete Hebamme, niemand würde meine Aussage in Frage stellen.
Der Arzt, den wir am nächsten Tag gerufen haben, hat sie kaum richtig untersucht. Wenn ich in dem Krankenhaus gearbeitet hätte,
aus dem das Baby verschwunden ist, hätte sich vielleicht jemand Fragen gestellt. Aber ich habe da nicht gearbeitet. Es bestand
überhaupt kein Risiko.»
«Kein Risiko? Sie hat anderen Leuten das Baby weggenommen! Okay, sie war krank, sie wusste nicht, was sie tat. Aber du bist
doch eine ... Du bist Hebamme, um Himmels willen! Wie konntest du das tun?»
«Ich habe es für Sarah getan.» Jessica starrte ihn trotzig und gelassen an. «Ich hätte alles getan, um ihr zu helfen.»
«Um ihr zu helfen? Damit hast du ihr nicht geholfen! Du hast lediglich ihre Tat gedeckt! Und was ist mit den tatsächlichen
Eltern? Hat es dich überhaupt nicht interessiert, was
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