Obsession
bekräftigte ihn, bis die Furcht, die er im Schlafzimmer gespürt hatte, irreal und unsinnig erschien.
Dann dachte er wieder an das Datum des Zeitungsausschnittes, und alles kam zurück.
Er stieß sich von der Spüle ab, als wollte er damit die Sorge von sich schieben, trocknete sein Gesicht und schaute auf die
Uhr. Bald würde er Jacob von der Schule abholen müssen. Wenn sie nach Hause kamen, sollten nicht mehr überall Sarahs Sachen
herumliegen.
Ben ging wieder hinauf und verpackte sie.
[ Navigation ]
|20| Kapitel 2
Er hatte Sarah über Keith kennengelernt. Später hatten sie sich darüber amüsiert, dass sie sich wahrscheinlich schon häufiger
über den Weg gelaufen waren, ehe sie schließlich miteinander gesprochen hatten, auch wenn sich keiner von beiden daran erinnern
konnte. Sie waren erst aufeinander aufmerksam geworden, als sie nach einer Party, zu der Keith ihn eingeladen hatte, plötzlich
gemeinsam auf der Straße standen. Keith hatte eine von seinen Anfängerbands bei einem großen Plattenlabel untergebracht und
den Vertragsabschluss offenbar als persönlichen Sieg gefeiert. Manchmal hatte Ben den Eindruck, dass sein Freund mittlerweile
kein Anwalt mehr war, sondern ein Manager, der es wie ein Konvertit einer neuen Religion für seine Pflicht hielt, Ben in die
berauschende Welt der Musikindustrie einzuführen.
«Du musst kommen, es wird großartig!», hatte er geschwärmt. «Die Plattenfirma will die Band groß rausbringen. Es wird bestimmt
ein toller Abend.»
Ben war davon nicht überzeugt gewesen. Er hatte bereits einige solcher Partys besucht und nie Spaß dabei gehabt. Von den meisten
Bands hatte er nie wieder gehört, und ihre Mischung aus Naivität und Arroganz ging ihm auf die Nerven. Die ganze Sache langweilte
ihn. Doch dann war der Abend alles andere als langweilig geworden. Besonders nachdem |21| er seine Kamera auf den Kopf des Sängers geknallt hatte.
Er war schon mit schlechter Laune hingegangen. Erst kurz zuvor war seine halbjährige Beziehung mit einem Model in die Brüche
gegangen, das er bei den Aufnahmen für eine Werbeagentur kennengelernt hatte. Er hatte damals noch unter der bitteren Trennung
gelitten, was vielleicht der Grund dafür gewesen war, dass Keith ihn eingeladen hatte. Und vielleicht auch dafür, dass er
die Einladung angenommen hatte.
Kaum war er in den Club gekommen, bombardiert von der hämmernden Musik, hatte er es bereut. Er hatte das alles schon tausendmal
gesehen, nicht nur die Flaschen Champagner, Tequila, Importbier und Jack Daniel’s, von denen sich jeder bedienen konnte, sondern
auch solche Mätzchen wie das brennende, an Ketten von der Decke hängende Auto. Er wäre sofort auf dem Absatz umgedreht, wenn
Keith ihn nicht gesehen und herbeigewunken hätte.
In seinem dunklen Anwaltsanzug stach sein Freund aus der Partymenge hervor wie eine Krähe aus einer Schar Wellensittiche.
Während des Studiums hatten sie sich eine Wohnung geteilt. Der selbstdarstellerische Kunststudent im ersten Semester und der
mit gebügelten Jeans bekleidete Jurastudent im dritten Semester hatten sich am Anfang argwöhnisch beäugt; beide schienen davon
überzeugt, dass dem Wohnheim ein Fehler unterlaufen sein musste. Doch schon bald hatte die gegenseitige Liebe zu Fußball und
Bier die kleinen Unterschiede unwichtig werden lassen. Nach dem Studium waren sie in Kontakt geblieben, obwohl Keith gegen
Bens Rat Tessa heiratete, nachdem sie schwanger geworden war und die Unterschiede zwischen ihnen deutlicher zutage traten.
Bens Haare wurden länger und Keiths Anzüge teurer. Tessa hatte sie häufig mit Jack Lemmon und Walter Matthau |22| in
Ein seltsames Paar
verglichen. Nach Bens Ansicht war sie nie viel witziger gewesen.
Manchmal fragte er sich, ob Keiths Entscheidung, für die Unterhaltungsbranche und mit Musikern und Schauspielern zu arbeiten,
eine Reaktion auf sein langweiliges Familienleben war. Allerdings hatte er nie ihre Freundschaft riskiert und nachgefragt.
Er rang sich ein Lächeln ab, als er Keiths Tisch erreichte, und wurde den Anwälten und zwielichtigen Managern der Plattenfirma
vorgestellt. Sie begrüßten Ben mit höflichem Desinteresse, was seiner Haltung zu ihnen entsprach. Sobald er konnte, entschuldigte
er sich und ging los, um sich ein Bier zu holen.
Das war sein erster Fehler. Ohne Gesprächspartner trank er zu viel und zu schnell, als dass es ihm gutgetan hätte. Die Kamera
hing ihm schwer um den
Weitere Kostenlose Bücher