Obsession
Kamera! Für diesen Vertrag habe ich das letzte halbe Jahr gearbeitet, und kaum ist er unterschrieben,
habe ich einen Sänger, der genäht werden muss, und einen Bassisten mit einer gebrochenen Hand. Und mein Gast ist schuld daran!
Danke, Ben, das macht wirklich einen großartigen Eindruck, findest du nicht?»
Er hatte Keith noch nie so wütend erlebt, aber da er sich ungerecht behandelt fühlte, kehrte auch seine Wut zurück. «Was hätte
ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Lächeln und danke sagen?»
«Hätte es dich umgebracht, ein paar Fotos zu machen, damit sich die Gemüter beruhigen, und sei es nur um meinetwillen? |28| Aber nein, das ist zu viel verlangt, oder? Du musst dich mit dem Sänger prügeln und ihm die Scheißkamera ins Gesicht knallen!
Die Manager der Band überlegen schon, dich zu verklagen, mein Gott!»
Erst jetzt dämmerte es Ben, in welch peinliche Situation er Keith gebracht hatte. «Ich dachte, er wehrt sie ab», sagte er
tonlos.
«Ja, hat er aber nicht.» Keith fuhr durch sein dünnes Haar. «Hör zu, ich muss wieder rein. Und du machst dich besser vom Acker.
Die Jungs kommen gleich raus, um ins Krankenhaus zu fahren. Ich habe keine Lust darauf, dass sie dich sehen und es weiteren
Ärger gibt.»
Ben nickte betreten. «Tut mir leid.»
Keith schaute ihn einen Moment an, als würde er überlegen, ob er die Entschuldigung annehmen sollte oder nicht, dann seufzte
er auf. «Keine Sorge, ich kläre das.» Er setzte ein müdes Lächeln auf. «Es hätte schlimmer kommen können. Wenigstens hat sich
nur der Bassist die Hand gebrochen. Wir wollten ihn sowieso loswerden.»
Ben hätte beinahe gelacht, aber dann sah er, dass es kein Witz war. Keith wandte sich an die junge Frau, die während ihres
Wortwechsels im Hintergrund gestanden hatte. «Sarah, kannst du dafür sorgen, dass er sich in ein Taxi setzt? Danach kannst
du auch nach Hause gehen. Du musst nicht länger bleiben.»
Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte er wieder nach drinnen. In der darauffolgenden Stille hätte sich Ben am liebsten verkrochen.
«Kommen Sie», sagte Sarah. «Die Straße runter können wir ein Taxi kriegen.»
Sie entfernten sich vom Club. «Ich brauche kein Taxi», sagte Ben, als sie an eine Seitenstraße kamen. «Mein Wagen steht dort
hinten.»
|29| Sie blieb stehen und schaute ihn an. «Sie sollten besser nicht fahren.»
«Mir geht’s gut. Das mit dem Auge ist nicht so schlimm.» Vorsichtig berührte er die Schwellung.
«Ich meinte nicht Ihr Auge. Wie viel haben Sie getrunken?»
«Ich bin nicht betrunken», entgegnete er.
«Mag sein, aber finden Sie nicht, dass der heutige Abend schon ereignisreich genug war?»
Sie betrachtete ihn amüsiert. Sie hatte hellbraunes, schulterlanges Haar, das sie sich hinter die Ohren gesteckt hatte, und
blasse Sommersprossen auf Nase und Wangen. Im Licht der Straßenlaternen konnte man schwer sagen, welche Farbe ihre Augen hatten,
Ben meinte jedoch, dass sie haselnussbraun waren. Sie war ziemlich attraktiv, fiel ihm auf. Sein Ärger verflog. «Ja, vielleicht
haben Sie recht.»
Sie hielten ein Taxi an. Ben wollte es ihr überlassen, doch sie lehnte ab. «Keith wird morgen alles genau von mir wissen wollen.
Ich möchte ihm sagen können, dass ich gesehen habe, wie Sie sicher auf dem Heimweg waren.»
Die schlanke, junge Frau hatte etwas Verletzliches und doch Reserviertes an sich, als sie darauf wartete, dass er einstieg.
Ben fühlte sich seltsam nervös. «Wo müssen Sie hin?», fragte er. «Wir können uns das Taxi auch teilen.»
Sie wohnte in Clapham. «Im Grunde haben Sie mir einen Gefallen getan», sagte sie, als das Taxi losfuhr. «Ich hätte noch mindestens
eine Stunde dort bleiben müssen, und ich lasse den Babysitter nicht gerne warten.»
«Sie haben Kinder?» Es überraschte Ben, wie enttäuscht er plötzlich war.
«Einen Jungen. Jacob. Er ist jetzt fast zwei.»
«Ist Ihr Mann heute Abend auch unterwegs?»
|30| «Ich bin nicht verheiratet.»
Sie sagte es ohne Emotionen. Ben merkte, dass er erfreut war.
Sie hat ein Kind. Reiß dich zusammen.
«Sind Sie auch Anwältin?», fragte er.
«Nein, ich bin nur eine einfache Angestellte. Aber in meiner Freizeit studiere ich. Mit etwas Glück müsste ich in ein paar
Jahren meine Prüfungen schaffen. Auf diese Weise dauert es zwar länger, aber man verdient wenigstens etwas dabei.» Sie zuckte
mit den Achseln, als wollte sie damit die Probleme einer alleinstehenden Mutter abtun.
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